Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...
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Rüdiger Ernst <strong>und</strong> Peter Höflich<br />
y Notwehr/Nothilfe (§ 32 StGB), def<strong>in</strong>iert als „die Verteidigung, die erfor<strong>der</strong>lich<br />
ist, um e<strong>in</strong>en gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von<br />
sich o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en abzuwenden“. Gegenwärtiger Angriff ist<br />
jede von Menschen ausgehende, unmittelbar bevorstehende o<strong>der</strong> andauernde<br />
Verletzung des Rechtsguts e<strong>in</strong>es an<strong>der</strong>en (z. B. Leib, Leben,<br />
Ges<strong>und</strong>heit, Eigentum, Ehre). Rechtswidrig ist <strong>der</strong> Angriff, den <strong>der</strong> Angegriffene<br />
nicht zu dulden braucht. Die Notwehrhandlung muss erfor<strong>der</strong>lich<br />
se<strong>in</strong>, d. h. geeignet zur sofortigen Beendigung des Angriffs<br />
<strong>und</strong> notwendig (es steht ke<strong>in</strong> mil<strong>der</strong>es ausreichendes Mittel zur Verfügung).<br />
y rechtfertigen<strong>der</strong> Notstand (§ 34 StGB): Soweit es ke<strong>in</strong> mil<strong>der</strong>es Mittel<br />
zur Rettung e<strong>in</strong>es höherwertigen Rechtsguts (z. B. Leib, Leben, sexuelle<br />
Selbstbestimmung) gibt, als e<strong>in</strong> niedrigerwertiges Rechtsgut (z. B.<br />
Bewegungsfreiheit, Datenschutz) zu verletzen, liegt e<strong>in</strong> Rechtfertigungsgr<strong>und</strong><br />
vor.<br />
y E<strong>in</strong>willigung (§ 228 StGB analog). Voraussetzungen: Der E<strong>in</strong>willigende<br />
muss Alle<strong>in</strong><strong>in</strong>haber des geschützten Rechtsguts (z. B. körperliche Integrität,<br />
Bewegungsfreiheit) se<strong>in</strong> <strong>und</strong> er muss e<strong>in</strong>willigungsfähig se<strong>in</strong>,<br />
d. h. das Wesen, die Tragweite <strong>und</strong> Auswirkungen des E<strong>in</strong>griffs <strong>in</strong> se<strong>in</strong><br />
Rechtsgut voll erfassen können. Letzteres wird bei unter 15-Jährigen<br />
regelmäßig zu verne<strong>in</strong>en se<strong>in</strong>.<br />
y richterliche Genehmigung freiheitsentziehen<strong>der</strong> Unterbr<strong>in</strong>gung<br />
(§ 1631b BGB). Obwohl erhebliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit<br />
wegen fehlen<strong>der</strong> Bestimmtheit <strong>der</strong> Vorschrift bestehen<br />
(Schl<strong>in</strong>k/Schattenfroh 2001, 149), wird sie bei erheblicher Gefährdung<br />
des K<strong>in</strong>deswohls, fehlen<strong>der</strong> Alternative <strong>und</strong> Beachtung <strong>der</strong> Verfahrensvorschriften<br />
als Rechtfertigungsgr<strong>und</strong> anzusehen se<strong>in</strong>.<br />
y Erziehungs- <strong>und</strong> Aufsichtsrecht/-pflicht (§§ 1631, 1800 BGB <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />
mit vertraglicher Übernahme), d. h. die Pflicht <strong>und</strong> das Recht „zu<br />
pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen <strong>und</strong> den Aufenthalt zu bestimmen“,<br />
begrenzt durch §§ 1626 Abs.2 <strong>und</strong> 1631 Abs.2 BGB. Dieser<br />
Rechtfertigungsgr<strong>und</strong> wird bei Gewaltanwendung gegen M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährige<br />
jedoch nur dann greifen können, wenn die <strong>in</strong> den vorhergehenden<br />
Ausführungen beschriebenen pädagogischen, verfassungsrechtlichen<br />
(Gr<strong>und</strong>satz <strong>der</strong> Verhältnismäßigkeit <strong>und</strong> des Übermaßverbotes) <strong>und</strong><br />
familienrechtlichen Kriterien, Grenzen <strong>und</strong> Verfahrensvorschriften<br />
<strong>für</strong> die Gewaltanwendung beachtet werden. Für die körperliche Bestrafung<br />
kann er als Rechtfertigungsgr<strong>und</strong> nicht gelten, son<strong>der</strong>n nur<br />
<strong>für</strong> tatbestandlich verwirkte Delikte wie §§ 239, 240, 185 <strong>und</strong> 202<br />
StGB (Scheffler 2002, 282). Dieser Rechtfertigungsgr<strong>und</strong> könnte etwa<br />
bei <strong>der</strong> Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung autoaggressiver Handlungen von M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen<br />
e<strong>in</strong>greifen; allerd<strong>in</strong>gs ist hier die evtl. E<strong>in</strong>sichtsfähigkeit des Jugendlichen<br />
zu beachten. Nach Auffassung des Landesjugendamts<br />
Rhe<strong>in</strong>land darf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>sichtsfähige M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährige <strong>in</strong> Ausübung se<strong>in</strong>es<br />
Gr<strong>und</strong>rechts auf freie Entfaltung <strong>der</strong> Persönlichkeit (Art.2 Abs.1 GG)