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Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

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<strong>Zwang</strong> im Rahmen von Hilfeprozessen<br />

perlicher o<strong>der</strong> seelischer H<strong>in</strong>sicht grausam verhalten, o<strong>der</strong> gar nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Lage s<strong>in</strong>d, ihrem K<strong>in</strong>d Grenzen zu setzen (Honig 1992; Kron-Klees 1994;<br />

Petri 1989; Wiesner 2003). K<strong>in</strong><strong>der</strong> lernen bei s<strong>in</strong>nvoller Anwendung von<br />

<strong>Zwang</strong>, den gr<strong>und</strong>sätzlichen Machtüberhang <strong>der</strong> Eltern ohne allzu großen<br />

Groll <strong>und</strong> ohne allzu heftige <strong>in</strong>nere Verletzungen zu akzeptieren, <strong>und</strong> <strong>in</strong>ternalisieren<br />

ihn (Wolf 1999). Sie übertragen ihn später – meist unh<strong>in</strong>terfragt<br />

– auf K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärtner o<strong>der</strong> Lehrer, d. h. sie unterstellen diesen neuen<br />

Erziehungspersonen, über ebenso potente <strong>Zwang</strong>sformen zu verfügen wie<br />

die Eltern, brauchen das aber <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel gar nicht mehr auszutesten o<strong>der</strong><br />

geben sich mit weit weniger dramatischen Formen <strong>der</strong> Grenzsetzung zufrieden.<br />

Die Anwendung von <strong>Zwang</strong>smomenten mit erzieherischer Intention ist<br />

zunächst e<strong>in</strong> Privileg <strong>der</strong> leiblichen Eltern o<strong>der</strong> naher Angehöriger. E<strong>in</strong>em<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärtner wird man noch zubilligen, e<strong>in</strong> erregtes K<strong>in</strong>d durch den E<strong>in</strong>satz<br />

se<strong>in</strong>er Körperkraft am Rennen auf die Straße zu h<strong>in</strong><strong>der</strong>n (Stoppel<br />

2003, 218f; Landesjugendamt Rhe<strong>in</strong>land 2006). Schon e<strong>in</strong> 2- o<strong>der</strong> 3m<strong>in</strong>ütiges<br />

Festhalten e<strong>in</strong>es wütenden K<strong>in</strong>des zur Durchsetzung <strong>der</strong> Auffor<strong>der</strong>ung<br />

zum Aufräumen mit irrationalen Ängsten nach dem Motto<br />

„Wenn Du nicht aufräumst, gehen wir an<strong>der</strong>en spazieren, Du musst alle<strong>in</strong>e<br />

hier bleiben, <strong>und</strong> es ist unklar, wann wir wie<strong>der</strong> kommen“, dürfte ihm<br />

nicht von allen Eltern zugestanden werden. Auch die K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartenleitung<br />

wird solche Praxen fachlich h<strong>in</strong>terfragen. Lehrer <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule s<strong>in</strong>d sehr<br />

vorsichtig dar<strong>in</strong>, Hand an e<strong>in</strong> wütendes K<strong>in</strong>d zu legen, weil ihnen auch die<br />

unbeabsichtigte Verletzung e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des als Übergriff ausgelegt werden<br />

könnte. Wenn Lehrer mit existenziellen Exklusionsängsten operieren,<br />

beispielsweise <strong>der</strong> Angst <strong>der</strong> Schüler, durchzufallen, so werden sie es eher<br />

subtil tun. Allzu offen dürfen solche Drohungen <strong>und</strong> damit <strong>der</strong> Versuch,<br />

<strong>Zwang</strong> anzuwenden, nicht erfolgen, da sie sonst fachliche Kritik von Eltern<br />

o<strong>der</strong> Kollegen auf sich ziehen würden. Zum<strong>in</strong>dest gilt das <strong>für</strong> Eltern<br />

aus so genannten aufgeklärten, liberalen Kreisen. Eltern aus Unterschichts-<br />

<strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Migrationszusammenhängen dürften sich dagegen<br />

häufiger rigi<strong>der</strong>e Erziehungspraxen im Rahmen von Schule o<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten<br />

wünschen, weil sie diese selbst viel selbstverständlicher praktizieren,<br />

<strong>und</strong> sie den Verzicht auf <strong>Zwang</strong>smomente dem Erziehungssystem<br />

<strong>und</strong> se<strong>in</strong>en Vertretern nicht selten als Schwäche auslegen (Kizhilhan 2006;<br />

Ohliger/Reiser 2005).<br />

Wie man sieht, ist das, was als <strong>Zwang</strong>smoment <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familienerziehung<br />

bezeichnet werden kann, nicht ohne weiteres im Rahmen öffentlicher<br />

Erziehung anzuwenden. Gerade <strong>in</strong> Bezug auf diese früher be<strong>in</strong>ahe<br />

selbstverständliche Übertragung des Elternrechts auf <strong>Zwang</strong>sausübung<br />

auf Lehrer <strong>und</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärtner hat sich seit den 1970er Jahren e<strong>in</strong> f<strong>und</strong>amentaler<br />

Wandel <strong>in</strong> <strong>der</strong> deutschen Öffentlichkeit vollzogen. Sicher werden<br />

Lehrer niemals wie<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> selbstverständlich züchtigen können, wie<br />

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