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Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

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Rüdiger Ernst <strong>und</strong> Peter Höflich<br />

dem E<strong>in</strong>schluss schließt den Tatbestand ebenfalls aus; zu beachten ist<br />

aber die E<strong>in</strong>willigungsfähigkeit (siehe oben)!<br />

In Betracht kommen hier folgende <strong>Zwang</strong>smaßnahmen:<br />

y nächtlicher E<strong>in</strong>schluss, ausstiegssichere Fenster<br />

y st<strong>und</strong>enweise verschlossene Türen während des Tages<br />

y begleitete Auszeit<br />

y time-out mit Isolierung <strong>und</strong> Abschluss <strong>der</strong> Tür.<br />

Soweit Auszeit, time-out, Fixierung o. ä. bis etwa e<strong>in</strong>e St<strong>und</strong>e dauern, wird<br />

man von e<strong>in</strong>em m<strong>in</strong>imalen Zeitraum sprechen können, so dass bereits <strong>der</strong><br />

Tatbestand des § 239 nicht erfüllt ist. Freiheitsbeschränkende Maßnahmen<br />

solcher Art, die bei dem Alter des K<strong>in</strong>des üblich s<strong>in</strong>d (Anschnallen im K<strong>in</strong><strong>der</strong>wagen<br />

auf Straßen), vornehmlich <strong>der</strong> Sicherung vor E<strong>in</strong>brüchen <strong>und</strong> unbefugtem<br />

Betreten dienen (Abschluss <strong>der</strong> Haus- o<strong>der</strong> Wohnungstür nachts)<br />

o<strong>der</strong> ke<strong>in</strong> tatsächliches E<strong>in</strong>sperren bzw. „auf an<strong>der</strong>e Weise <strong>der</strong> Freiheit<br />

berauben“ darstellen (begrenzte Ausgehzeiten, Ausgangsverbote, Stubeno<strong>der</strong><br />

Hausarrest – ohne E<strong>in</strong>schluss), erfüllen den Tatbestand ebenfalls nicht.<br />

Der Tatbestand ist dagegen erfüllt bei Unterbr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em geschlossenen<br />

Heim o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er geschlossenen Abteilung, bei nächtlichem<br />

E<strong>in</strong>schluss <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Raum mit ausstiegssicheren Fenstern, über St<strong>und</strong>en<br />

verschlossenen Türen während des Tages <strong>und</strong> time-out <strong>für</strong> mehrere St<strong>und</strong>en.<br />

Auch unterbr<strong>in</strong>gungsähnliche Maßnahmen im S<strong>in</strong>ne von § 1906<br />

Abs.4 BGB durch mechanische Vorrichtungen (Fixierung im Bett, Bauchgurt<br />

am Stuhl) o<strong>der</strong> stark sedierende Medikamente erfüllen den Tatbestand.<br />

Als Rechtfertigungsgründe kommen dann <strong>in</strong> Betracht:<br />

y richterliche Genehmigung, § 1631b BGB, wobei dies <strong>in</strong> analoger Anwendung<br />

von § 1906 Abs.4 BGB – <strong>der</strong> unmittelbar nur <strong>für</strong> das Betreuungsrecht<br />

gilt – auch <strong>für</strong> die vorgenannten unterbr<strong>in</strong>gungsähnlichen<br />

Maßnahmen (Fixierung etc.) bei M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen gilt, wenn diese über<br />

e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum (wobei es auch auf die Intensität des <strong>Zwang</strong>s<br />

ankommt, also bei Fixierung länger als 24 St<strong>und</strong>en) o<strong>der</strong> regelmäßig<br />

(z. B. jeden Abend) erfolgen (Salgo 2002 <strong>und</strong> 2006, § 1631b Rdnr.15).<br />

Freiheitsentziehende Eilmaßnahmen (etwa bei hochgradigem Erregungszustand,<br />

Gefahr <strong>für</strong> e<strong>in</strong> Rechtsgut <strong>und</strong> Fehlen e<strong>in</strong>er Alternative)<br />

durch den verantwortlichen Leiter <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung, wobei nach<br />

§ 1631b S.2 BGB die richterliche Genehmigung dann unverzüglich<br />

nachzuholen ist, können als Nothilfe o<strong>der</strong> rechtfertigen<strong>der</strong> Notstand<br />

nach §§ 32, 34 StGB gerechtfertigt se<strong>in</strong> (Salgo 2001, 37).<br />

y Wahrnehmung <strong>der</strong> Erziehungs- <strong>und</strong> Aufsichtspflicht, §§ 1631, 1800<br />

BGB <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit vertraglicher Übernahme: etwa, wenn e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d<br />

droht, über e<strong>in</strong>e nahe Autobahn zu laufen. Hier greift auch § 34 StGB<br />

e<strong>in</strong>: e<strong>in</strong> niedrigerwertiges Rechtsgut (Bewegungsfreiheit) muss zum<br />

Schutz e<strong>in</strong>es höherwertigen (Leben) verletzt werden.

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