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Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

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Mathias Schwabe <strong>und</strong> Thomas Evers<br />

diese Warnrufe manchmal erreichen <strong>und</strong> zu e<strong>in</strong>er Verhaltensän<strong>der</strong>ung<br />

führen <strong>und</strong> manchmal nicht.<br />

Was die Länge <strong>der</strong> Zeit betrifft, die er im Raum verbr<strong>in</strong>gen muss, äußert<br />

er: „Früher e<strong>in</strong>e bis drei St<strong>und</strong>en, heute nur noch [kürzer], beim letzten<br />

Mal fünf M<strong>in</strong>uten“ (Nico, 6, 2. Befragung, 2006). Auf Gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> sehr<br />

sorgfältigen Dokumentation wissen wir, dass er nur e<strong>in</strong>mal länger als e<strong>in</strong>e<br />

St<strong>und</strong>e im Raum war. Aber vielleicht geht es ihm eher darum, dem Interviewer<br />

zu beschreiben, dass die Auszeiten kürzer geworden s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> die<br />

Situation damit <strong>in</strong>sgesamt besser geworden ist. Zum<strong>in</strong>dest antwortet er<br />

ähnlich, als er nach <strong>der</strong> Häufigkeit, mit <strong>der</strong> er <strong>in</strong> den Raum gebracht wird,<br />

gefragt wird: „Ja oft, früher häufiger, als ich noch neun Jahre alt war. (...)<br />

Diese Zeit voll selten.“ Ob er mit „früher“ auch die Zeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychiatrie<br />

me<strong>in</strong>t, bleibt unklar. Zum Zeitpunkt des Interviews war er tatsächlich <strong>in</strong><br />

sechs Wochen nur e<strong>in</strong>mal im Auszeitraum. Insofern entspricht se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schätzung<br />

<strong>der</strong> Protokolllage.<br />

Auf die Frage, wie das komme, antwortet er: „Weil ich mich bemühe,<br />

weil ich hasse, <strong>in</strong> den Time-out-Raum zu gehen.“ Und nach kurzem Zögern:<br />

„Weil ich mich entwickelt habe“, aber das kl<strong>in</strong>gt eher traurig o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest<br />

zweifelnd (Nico, 6, 2. Befragung, 2006). Ob Nico sich tatsächlich<br />

als jemand erlebt, <strong>der</strong> sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em langen <strong>und</strong> mühsamen Weg weiter entwickelt<br />

hat o<strong>der</strong> ob er vor allem betonen will, dass er o<strong>der</strong> die Auszeitprozedur<br />

heute nicht mehr so schlimm seien wie noch vor e<strong>in</strong>em Jahr,<br />

wissen wir nicht. Wir vermuten, dass er eher daran <strong>in</strong>teressiert war, e<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>igermaßen positives Selbstbild zu formulieren o<strong>der</strong> zu etablieren, <strong>für</strong><br />

sich selbst, aber auch <strong>für</strong> die an<strong>der</strong>en.<br />

Was die Pädagogen betrifft, so spricht er über sie ohne Vorwürfe <strong>und</strong><br />

Bitterkeit. Er sche<strong>in</strong>t allerd<strong>in</strong>gs zu glauben, dass diese sich darüber bewusst<br />

s<strong>in</strong>d, mit dem Auszeitraum e<strong>in</strong> Machtmittel <strong>in</strong> den Händen zu haben,<br />

zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong>terpretieren wir den nächsten Satz so: „Die ärgern mich<br />

damit [mit dem Auszeitraum] gerne, aber machen möchten die das auch<br />

nicht gerne.“ Er sche<strong>in</strong>t wahrzunehmen, dass es auch <strong>für</strong> die Pädagogen<br />

ke<strong>in</strong>e „schöne“ Aktion ist <strong>und</strong> auf ke<strong>in</strong>en Fall etwas, das diese genießen.<br />

Auf die Frage, ob er auch die freiwillige Nutzung des Raumes kenne,<br />

antwortet Nico: „Ja, schon mal, als ich me<strong>in</strong>e Mutter nicht anrufen durfte,<br />

da b<strong>in</strong> ich da re<strong>in</strong>, um Wut rauszulassen.“ Und zur Häufigkeit <strong>der</strong> freiwilligen<br />

Nutzung sagt er: „Nicht so oft, [ich] habe aber mit <strong>der</strong> Zeit gelernt,<br />

da me<strong>in</strong>e Wut auszulassen.“ (Nico, 7, 2. Befragung, 2006). Bei Nico gibt es<br />

nach unserer E<strong>in</strong>schätzung ke<strong>in</strong>e klare Entwicklung von Fremdzwang zu<br />

Selbstkontrolle. Aber er sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e solche Entwicklung zu wünschen<br />

o<strong>der</strong> weiß zum<strong>in</strong>dest, dass an<strong>der</strong>e sich diese wünschen würden.

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