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Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

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Mathias Schwabe<br />

auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Form von <strong>Zwang</strong> – nach sich ziehen muss, damit das K<strong>in</strong>d<br />

nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en illusionären Machttaumel gerät. Mit <strong>der</strong> Begrenzung<br />

erfährt das Machtgefühl des K<strong>in</strong>des e<strong>in</strong>en starken „Dämpfer“; dieser<br />

darf auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite auch nicht so brachial <strong>und</strong> total erfolgen,<br />

dass das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er eigenen Wahrnehmung als vollständiger Verlierer<br />

aus dem Machtkampf hervorgehen muss. Da<strong>für</strong> sorgt <strong>der</strong> Vater<br />

dadurch, dass er Hannes auch im Konflikt Spielräume <strong>für</strong> Eigenes <strong>und</strong><br />

Eigens<strong>in</strong>niges lässt. Hannes wendet den Kopf ab; er will nicht, dass <strong>der</strong><br />

Vater se<strong>in</strong> beleidigtes Gesicht <strong>und</strong> die Tränen, mith<strong>in</strong> se<strong>in</strong>e ganze<br />

Demütigung sieht. Der Vater tut gut daran, gerade den Kopf <strong>und</strong> das<br />

Gesicht nicht auch noch kontrollieren zu wollen. Er darf se<strong>in</strong>en Vater<br />

„Arschloch“ nennen, ohne dass dies zu weiteren Konsequenzen führt.<br />

Und er darf selbst bestimmen, wann er zum Essen an den Tisch<br />

kommt. Alle drei Zugeständnisse än<strong>der</strong>n nichts daran, dass sich <strong>der</strong><br />

Vater durchgesetzt <strong>und</strong> den Anspruch auf Gehorsam bekräftigt hat.<br />

Aber sie erlauben Hannes, sich trotz se<strong>in</strong>er Nie<strong>der</strong>lage halbwegs souverän<br />

zu fühlen: Er hat niemanden die Tränen sehen lassen, er hat es<br />

gewagt den Vater zu beleidigen, er kommt zum Essen, wann er will. Im<br />

Kampf um Anerkennung kommt es auf Seiten <strong>der</strong> Erwachsenen darauf<br />

an, punktuell <strong>und</strong> exemplarisch Anerkennung zu for<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> auch zu<br />

erzw<strong>in</strong>gen, zugleich aber auch Anerkennung zu geben, d. h. an e<strong>in</strong>em<br />

o<strong>der</strong> zwei Konfliktpunkten über den eigenen Schatten zu spr<strong>in</strong>gen.<br />

Auf Seiten des K<strong>in</strong>des geht es darum, den pr<strong>in</strong>zipiellen Machtüberhang<br />

<strong>der</strong> Erwachsenen hautnah zu erfahren <strong>und</strong> trotz aller Kränkung,<br />

die das bedeutet, das eigene Selbstbewusstse<strong>in</strong> zu retten.<br />

Bedenkt man zusätzlich, dass Hannes bald <strong>in</strong> die Schule kommt, so ist es<br />

von großer Bedeutung, dass er den Kampf um Anerkennung zu Hause mit<br />

se<strong>in</strong>em Vater auskämpfen kann <strong>und</strong> dass dieser dort zu e<strong>in</strong>er guten Lösung<br />

kommt. Das bewahrt Hannes zunächst davor, diesen Kampf mit Lehrern<br />

o<strong>der</strong> Hortpädagogen führen zu müssen. Deshalb kann er sich <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e<br />

Energien dank <strong>der</strong> Anerkennungskämpfe <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Familie außerhalb<br />

voll auf das Lernen <strong>und</strong> Mitmachen konzentrieren. Mit an<strong>der</strong>en Worten:<br />

Er begegnet den fremden Menschen <strong>und</strong> Weltd<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> Schule <strong>und</strong> Hort<br />

zunächst auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage e<strong>in</strong>es abgeklärten „Kampfes um Anerkennung“.<br />

In späteren Phasen wird er auch die Personen <strong>der</strong> Außenwelt verwickeln<br />

müssen <strong>und</strong> wollen, aber das muss nicht <strong>in</strong> dieser Phase se<strong>in</strong>.<br />

Wenn Hannes das nächste Mal auf das „Stopp“ des Vaters hört, wird er<br />

es aller Voraussicht nach mit gemischten Gefühlen tun. E<strong>in</strong> Gefühl ist sicher<br />

auch die Angst vor e<strong>in</strong>er erneuten Kränkung, die er mit se<strong>in</strong>er Weigerung<br />

<strong>und</strong> dem anschließenden Gezwungen-Werden riskieren würde.<br />

Hannes wird nicht zuletzt gehorchen, weil er e<strong>in</strong>e erneute Nie<strong>der</strong>lage vermeiden<br />

will, auch wenn ihm <strong>der</strong> Vater Reste von Autonomie <strong>und</strong> das

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