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Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

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Mathias Schwabe <strong>und</strong> Thomas Evers<br />

Sam: „Ja, ich wollte das aber auch als Hilfe hier, damit ich me<strong>in</strong>en Abschluss<br />

machen kann, me<strong>in</strong>en Hauptschulabschluss hab <strong>und</strong> zur Schule<br />

geh.“ (Sam, 120–137, 2. Befragung, 2005)<br />

Auch hier sche<strong>in</strong>t sich zunächst zwischen Eltern <strong>und</strong> K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same<br />

familiäre Koalition gegen das <strong>Zwang</strong>selement „ausstiegssichere Fenster“<br />

anzubahnen. Aber dann lassen sich die Eltern von e<strong>in</strong>em engagierten<br />

Erziehungsleiter überzeugen. Der Junge, <strong>der</strong> dabei war, erlebt das offensichtlich<br />

nicht als überreden. Er spürt wahrsche<strong>in</strong>lich den Stimmungsumschwung<br />

im Inneren se<strong>in</strong>er Eltern, <strong>der</strong> nicht sofort, son<strong>der</strong>n irgendwann<br />

erfolgt. Daraufh<strong>in</strong> kann auch er das Heim als Hilfe <strong>für</strong> sich<br />

annehmen. An diesem Beispiel wird deutlich, wie wichtig die Zustimmung<br />

<strong>der</strong> Eltern auch zu spezifischen Sett<strong>in</strong>gelementen ist, damit sich das K<strong>in</strong>d<br />

auf das Heim e<strong>in</strong>lassen kann. Se<strong>in</strong>e verbliebene Ambivalenz zeigt Sam allerd<strong>in</strong>gs<br />

durch se<strong>in</strong>en grammatikalischen Umgang mit dem Tempus, denn<br />

zuerst schil<strong>der</strong>t er die Ablehnung se<strong>in</strong>er Eltern, als erstrecke sie sich bis <strong>in</strong><br />

die Gegenwart h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Erst im Lauf <strong>der</strong> Schil<strong>der</strong>ung wird deutlich, dass die<br />

elterliche Abwehrhaltung e<strong>in</strong> Phänomen <strong>der</strong> Vergangenheit ist, wobei<br />

fraglich ist, ob die Eltern nicht auch aktuell e<strong>in</strong>e Art von Ambivalenz erleben.<br />

5.3 Fazit<br />

Die verbalen Aussagen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen, die wir gesammelt<br />

haben, changieren nach unserem E<strong>in</strong>druck je nach Person <strong>und</strong> Befragungsthema<br />

von klaren, sehr realistischen <strong>und</strong> be<strong>in</strong>ahe exakten Beschreibungen<br />

<strong>der</strong> Realität bis h<strong>in</strong> zu unklaren <strong>und</strong> ambivalenten Äußerungen<br />

o<strong>der</strong> deutlichen Realitätsverzerrungen. We<strong>der</strong> kann man sie <strong>in</strong> ihrer Gesamtheit<br />

als Wie<strong>der</strong>gabe <strong>der</strong> Wirklichkeit betrachten, noch darf man die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen pauschal als unzuverlässige Informanten zurückweisen.<br />

Die Äußerungen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben immer S<strong>in</strong>n <strong>und</strong> Bedeutung,<br />

auch wenn sich nicht h<strong>in</strong>ter je<strong>der</strong> drastischen Anprangerung e<strong>in</strong><br />

handfester Skandal verbirgt. Lügen im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> bewussten Falschmeldung<br />

mit dem Ziel den Pädagogen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung Schaden zuzufügen,<br />

s<strong>in</strong>d wir bei ke<strong>in</strong>er Person begegnet. Allerd<strong>in</strong>gs mussten viele<br />

Äußerungen mehr o<strong>der</strong> weniger stark <strong>in</strong>terpretiert werden. Viele Aussagen<br />

müssen im Kontext e<strong>in</strong>es als irritiert erlebten Selbstbildes verstanden<br />

werden, das um se<strong>in</strong>e Konsistenz <strong>und</strong> Würde r<strong>in</strong>gt <strong>und</strong> deswegen bestimmte<br />

Beobachtungen <strong>und</strong> Erkenntnisse nicht an sich herankommen<br />

lassen darf. An<strong>der</strong>e, vor allem zustimmende Äußerungen zu <strong>Zwang</strong>selementen<br />

müssen auch vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Abhängigkeit vor allem <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> von den Pädagogen verstanden werden. Ähnlich wie sie dazu nei-

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