Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...
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Mathias Schwabe<br />
Trost <strong>für</strong> die kle<strong>in</strong>en, aber dennoch schmerzhaften Nie<strong>der</strong>lagen des Alltags<br />
gewährt. (G. Bittner nennt solche Gegenstände „magische Prothesen“,<br />
Bittner 1977, 35.)<br />
<strong>Zwang</strong> kann man das Wegnehmen von Gegenständen o<strong>der</strong> den Entzug<br />
von Aktivitäten o<strong>der</strong> Leistungen nur nennen, wenn diese entzogenen<br />
Güter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er existenziellen Dimension wurzeln. Das kann bei e<strong>in</strong>em<br />
Mädchen das Reiten se<strong>in</strong>, das ihm die Eltern z. B. dadurch streichen können,<br />
dass sie die Bezahlung o<strong>der</strong> die Fahrdienste verweigern; bei e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en<br />
Jugendlichen können das die langen Ausgangszeiten am Wochenende<br />
se<strong>in</strong>, die Benutzung des Handys als e<strong>in</strong>er Art „Tor zur Welt“ o<strong>der</strong> die<br />
Erlaubnis mit auf Klassenfahrt zu gehen.<br />
Viele Dienstleistungen von Eltern wie Kochen <strong>und</strong> Wäschewaschen<br />
können verweigert werden. Mit ihrer Hilfe können Eltern Druck aufbauen,<br />
<strong>der</strong> <strong>für</strong> das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> hohem Maße unangenehm <strong>und</strong> <strong>in</strong> Bezug auf das<br />
Ziel <strong>der</strong> Eltern völlig ausreichend se<strong>in</strong> kann (Omer/Schlippe 2002). <strong>Zwang</strong><br />
kommt allerd<strong>in</strong>gs erst dann <strong>in</strong>s Spiel, wenn etwas existenziell Bedeutsames<br />
entzogen wird, von dem sich das K<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Jugendliche <strong>in</strong> hohem<br />
Maße abhängig fühlt, was <strong>in</strong>dividuell sehr unterschiedlich se<strong>in</strong> kann. In<br />
vielen Fällen werden sich Druck <strong>und</strong> <strong>Zwang</strong>smomente mischen o<strong>der</strong> zu<br />
den Push-Motiven des Drucks noch Pull-Faktoren wie „mit den Eltern <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong> gutes E<strong>in</strong>vernehmen kommen“ o<strong>der</strong> „se<strong>in</strong>e Ruhe haben wollen“ kommen<br />
(Kähler 2005, 45ff). Insofern müssen die e<strong>in</strong>zelnen Situationen, bezogen<br />
auf ihren <strong>Zwang</strong>scharakter, jeweils genauer analysiert werden. Klar ist,<br />
dass es auch bei diesem abgewandelten <strong>Zwang</strong>smittel auf se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>bettung<br />
<strong>und</strong> Dosierung ankommt. Auch hier besteht das Risiko, dass Eltern o<strong>der</strong><br />
Erzieher die Abhängigkeit des K<strong>in</strong>des von e<strong>in</strong>er bestimmten Beschäftigung<br />
zur Durchsetzung ihres Willens <strong>in</strong>strumentalisieren <strong>und</strong> dem K<strong>in</strong>d<br />
bzw. Jugendlichen damit die Freude an den selbst entdeckten <strong>und</strong> mit Lust<br />
betriebenen Handlungsprojekten (z. B. Computerspielen, Reiten etc.) ver<strong>der</strong>ben.<br />
Auch hier ist die Grenze zwischen konstruktiver Machtanwendung<br />
<strong>und</strong> destruktivem <strong>Zwang</strong> schmal <strong>und</strong> kann <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Akt des Wegnehmens<br />
sowohl das e<strong>in</strong>e als auch das an<strong>der</strong>e darstellen.<br />
Inwiefern wurden hier Lernprozesse angeregt?<br />
y Auch bei Bodo geht es, wie schon bei Hannes, um die pr<strong>in</strong>zipielle Anerkennung<br />
des Machtverhältnisses zwischen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n bzw. Jugendlichen<br />
<strong>und</strong> Erwachsenen. Diese sche<strong>in</strong>t mit je<strong>der</strong> neuen Entwicklungsstufe<br />
angezweifelt o<strong>der</strong> zurückgenommen zu werden <strong>und</strong> muss dort<br />
altersadäquat erneuert werden. Bodos Protest gegen den <strong>Zwang</strong> <strong>der</strong><br />
Mutter, das Sich-zunächst-unbee<strong>in</strong>druckt-Zeigen, das Sich-Beschweren<br />
über die Mutter bei den Fre<strong>und</strong>en, aber auch se<strong>in</strong> E<strong>in</strong>lenken <strong>und</strong><br />
se<strong>in</strong>e Bitte um Hilfe, dürften solche altersadäquaten Begleiterschei-