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Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

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Mathias Schwabe <strong>und</strong> David Vust<br />

wirkte an e<strong>in</strong>em Tag schon beim Aufstehen bzw. beim Frühstück gereizt<br />

<strong>und</strong> provozierte immer wie<strong>der</strong> ältere K<strong>in</strong><strong>der</strong>, von denen er wusste, dass<br />

sie ihn zurückärgern o<strong>der</strong> gar schlagen würden. Diese von ihm selbst angezettelten<br />

Konflikte konnten jedoch unterb<strong>und</strong>en werden, bevor sich<br />

e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Parteien zu weit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gesteigert hatte. Gegenüber den Erziehern<br />

zeigte sich Nico auch bei Alltagsfor<strong>der</strong>ungen wie Zähneputzen, die<br />

er an an<strong>der</strong>en Tagen e<strong>in</strong>fach erledigte, wi<strong>der</strong>ständig <strong>und</strong> bockig. Mit viel<br />

gutem Zureden konnte die Morgensituation bewältigt werden. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

wurde Nico bereits nach e<strong>in</strong>er St<strong>und</strong>e aus <strong>der</strong> Schule zurückgeschickt.<br />

Obwohl die Pädagogen ihm bei <strong>der</strong> Erledigung <strong>der</strong> Schulaufgaben engagiert<br />

halfen <strong>und</strong> ihn zwischendurch auch mit Spielangeboten o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Entspannungsmassage belohnten, zeigte er sich weiter unwillig <strong>und</strong><br />

aggressiv. Auf Gespräche darüber, was ihm schlechte Laune bereiten<br />

würde, ob er etwas Beängstigendes geträumt habe o<strong>der</strong> was ihn sonst<br />

beunruhigen würde, ließ er sich nicht e<strong>in</strong>. Als im Laufe des Vormittags<br />

zwei an<strong>der</strong>e, jüngere K<strong>in</strong><strong>der</strong> dazu kamen, ärgerte er diese so heftig, dass<br />

die Erzieher mehrfach schützend e<strong>in</strong>greifen mussten. Nico erschien<br />

dabei <strong>in</strong>nerlich getrieben, se<strong>in</strong> Körper wirkte verspannt, se<strong>in</strong>e Gesichtszüge<br />

wirkten verbissen. Mehrfach gelobte er von sich aus, jetzt aufzuhören,<br />

schaffte es aber nicht. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war<br />

klar, dass es an diesem Tag krachen würde, d. h. dass Nico e<strong>in</strong>en Konflikt<br />

mit erheblichem Wut- o<strong>der</strong> Gewaltausbruch <strong>in</strong>szenieren würde. Ohne<br />

e<strong>in</strong>en solchen schien er auch bei guter Begleitung <strong>und</strong> Steuerung nicht<br />

durch den Tag zu kommen. Wann dieser erfolgte, schien nur noch e<strong>in</strong>e<br />

Frage <strong>der</strong> Zeit. Deswegen beschlossen die Mitarbeiter auch <strong>in</strong> Rücksprache<br />

mit dem Erziehungsleiter, es besser früher als später darauf ankommen<br />

zu lassen. Bei e<strong>in</strong>er ersten Verfehlung am Mittagstisch – er hatte<br />

mit se<strong>in</strong>er Gabel e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es K<strong>in</strong>d gestochen – wurde er noch ermahnt,<br />

bei e<strong>in</strong>er zweiten aufgefor<strong>der</strong>t den Raum zu verlassen. Allerd<strong>in</strong>gs ahnte<br />

die Pädagog<strong>in</strong> schon, dass er nicht freiwillig <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Zimmer gehen würde.<br />

Nachdem er dies lautstark verweigert hatte, packte sie ihn deswegen<br />

<strong>und</strong> brachte ihn direkt <strong>in</strong> den Auszeitraum. Schon auf dem Weg dorth<strong>in</strong><br />

begann er, wild um sich zu schlagen <strong>und</strong> zu treten. Im Raum angekommen,<br />

steigerte sich se<strong>in</strong>e Wut noch e<strong>in</strong>mal: Er beschimpfte die Erzieher<strong>in</strong><br />

lautstark, drohte mehrfach an, sie zu töten, trat gegen die Wände <strong>und</strong><br />

bewarf sie mit Polstern. Sie schützte sich defensiv, hielt ihn aber fest,<br />

wenn er sie mit se<strong>in</strong>en Händen angriff, was zweimal geschah. Nachdem<br />

er etwa zehn bis zwölf M<strong>in</strong>uten heftig getobt hatte, ebbte se<strong>in</strong>e Wut<br />

langsam ab. Aus e<strong>in</strong>em leichteren Angriff auf die Erzieher<strong>in</strong> mit e<strong>in</strong>em<br />

Schaumstoffwürfel entwickelte sich e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Spiel, bei dem er<br />

ihr den Würfel gezielt aus <strong>der</strong> Hand treten musste. Dabei gewann er endgültig<br />

die Kontrolle über sich zurück. Später konnte er erzählen, dass er<br />

sich Sorgen um se<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>ere Schwester machte. Diese sei ja jetzt ganz<br />

alle<strong>in</strong>e zu Hause <strong>und</strong> damit auch den aggressiven Ausbrüchen se<strong>in</strong>er

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