Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...
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Mathias Schwabe<br />
wie<strong>der</strong> los, kann es se<strong>in</strong>, dass das Krallen unterbleibt <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e neue Interaktionssequenz<br />
mit e<strong>in</strong>em ganz an<strong>der</strong>en Thema beg<strong>in</strong>nt.<br />
Manchmal setzt das K<strong>in</strong>d aber das Krallen fort, häufig mit e<strong>in</strong>em gewissen<br />
Funkeln <strong>in</strong> den Augen. Die Eltern erleben das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> solchen Momenten<br />
wie getrieben, aber es bleibt offen, ob es das Krallen ist, das so lustvoll<br />
ist, dass das K<strong>in</strong>d nicht von ihm lassen kann, o<strong>der</strong> ob das K<strong>in</strong>d sich<br />
gegen die Vorstellung wehrt, sich begrenzen lassen zu müssen. In solchen<br />
Momenten setzen die Eltern das K<strong>in</strong>d auf den Boden <strong>und</strong> wie<strong>der</strong>holen:<br />
„Ne<strong>in</strong>, nicht krallen!“. Das K<strong>in</strong>d hat nun ke<strong>in</strong>e Chance mehr dazu, weil<br />
sich die elterliche Wange außerhalb <strong>der</strong> Reichweite se<strong>in</strong>er Hände bef<strong>in</strong>det.<br />
Zudem wird es dabei von dem unmittelbaren Körperkontakt mit den Eltern<br />
getrennt <strong>und</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e räumliche Position gebracht, <strong>in</strong> <strong>der</strong> es sowohl die<br />
Erwachsenen als getrennte Gegenüber wahrnehmen kann, als auch <strong>der</strong>en<br />
ganze Größe o<strong>der</strong>, wenn man so will, die eigene Kle<strong>in</strong>heit. Meistens quittiert<br />
das K<strong>in</strong>d dieses Auf-den-Boden-abgesetzt-Werden mit lautem Quengeln<br />
o<strong>der</strong> sogar mit We<strong>in</strong>en, es streckt se<strong>in</strong>e Arme aus, will wie<strong>der</strong> auf den<br />
Arm genommen werden, aber die Eltern verweigern das. Das K<strong>in</strong>d bleibt<br />
dann quengelig, e<strong>in</strong>ige Male zeigt es auch Anzeichen von Wut, so fuchtelt<br />
es beispielsweise rhythmisch mit se<strong>in</strong>en Händen, wobei nicht ganz klar ist,<br />
ob es das mit <strong>der</strong> Intention, zu schlagen, unternimmt o<strong>der</strong> nicht. Später, als<br />
es das Abgesetzt-Werden als Maßnahme bereits kennt, wehrt es sich dagegen,<br />
<strong>in</strong> dem es sich mit se<strong>in</strong>en Armen am Körper festklammert, so dass die<br />
Eltern e<strong>in</strong>e gewisse Kraft aufbr<strong>in</strong>gen müssen, um es aus ihren Armen zu<br />
„reißen“.<br />
Häufig bieten die Eltern dem K<strong>in</strong>d nach dem Absetzen etwas zum Spielen<br />
an. Sie zeigen ihm e<strong>in</strong>en Bauste<strong>in</strong> o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Stofftier, <strong>und</strong> nach e<strong>in</strong>er<br />
kurzen Weile entwickelt sich e<strong>in</strong> neues Thema.<br />
Nach circa vier bis sechs Wochen, <strong>in</strong> denen das Krallen be<strong>in</strong>ahe ohne<br />
Unterbrechung alle zwei bis drei Tage <strong>und</strong> an diesen mehrfach geschehen<br />
ist, wird das Krallen des K<strong>in</strong>des e<strong>in</strong>erseits seltener <strong>und</strong> lässt sich an<strong>der</strong>erseits<br />
leichter steuern. Wenn man es nach dem ersten Festhalten loslässt,<br />
krallt es nicht wie<strong>der</strong> o<strong>der</strong> berührt zwar noch die Wange <strong>der</strong> Mutter, aber<br />
auf e<strong>in</strong>e sanftere Art <strong>und</strong> Weise. Dabei schaut es konzentriert auf se<strong>in</strong>e<br />
Hand <strong>und</strong> die Wange, als beobachte es das Aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>stoßen dieser beiden<br />
Körperteile mit Spannung. Die Berührung erfolgt wie probeweise.<br />
Diese Beobachtung macht allerd<strong>in</strong>gs nur die Mutter. Nach weiteren drei<br />
bis vier Wochen verschw<strong>in</strong>det das Krallen ganz.<br />
Ungefähr zur selben Zeit entwickelt sich e<strong>in</strong> neues Spiel mit dem Vater:<br />
Beide spielen H<strong>und</strong>e, die abwechselnd <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Kissen beißen <strong>und</strong> dieses<br />
möglichst wild schütteln, wie das e<strong>in</strong> H<strong>und</strong> z. B. mit e<strong>in</strong>em apportierten<br />
Hasen macht. Woher das K<strong>in</strong>d dieses Bild bezieht o<strong>der</strong> ob es e<strong>in</strong>e Handlung<br />
ist, die es beim Vater gesehen <strong>und</strong> von diesem, wenn auch mit Bedeutungswandel,<br />
abgeschaut hat, bleibt unklar (Schäfer 1989).