Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...
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Mathias Schwabe, Thomas Evers <strong>und</strong> David Vust<br />
ke<strong>in</strong>erlei Drohungen damit verb<strong>und</strong>en hat. Nehmen die Eltern jedoch an,<br />
dass <strong>der</strong> Lehrer bei Nicht-Aufnahme e<strong>in</strong>es Kontaktes zum Schulpsychologen<br />
das K<strong>in</strong>d benachteiligt, dann könnte man auch diese Beratung als<br />
Hilfe im <strong>Zwang</strong>skontext bezeichnen, zum<strong>in</strong>dest können sich die Eltern so<br />
benehmen, als handele es sich um e<strong>in</strong>en <strong>Zwang</strong>skontext. Zu unterscheiden<br />
wären demnach klar <strong>in</strong>stitutionalisierte <strong>Zwang</strong>skontexte mit e<strong>in</strong>em offiziellen<br />
Auftraggeber – meist dem Gericht –, <strong>Zwang</strong>skontexte im Vorfeld <strong>der</strong><br />
<strong>Institut</strong>ionalisierung bzw. ohne hierarchische Triangulierung <strong>und</strong> Quasi-<br />
<strong>Zwang</strong>s-Kontexte, die vor allem von den Klienten so erlebt werden <strong>und</strong><br />
mit denselben Ängsten <strong>und</strong> Aggressionen aufgeladen se<strong>in</strong> können wie echte<br />
<strong>Zwang</strong>skontexte (Conen 1999).<br />
Auch beim <strong>Zwang</strong>skontext spielt das subjektive Erleben des Klienten<br />
e<strong>in</strong>e wichtige Rolle: E<strong>in</strong>ige fühlen sich schnell zur Hilfe gezwungen, auch<br />
wenn noch wenig Druck auf sie ausgeübt <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e dritte Stelle noch gar<br />
nicht mit <strong>der</strong> Prüfung beauftragt wurde, ob genügend Gründe <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e<br />
Hilfe im <strong>Zwang</strong>skontext vorliegen. An<strong>der</strong>e fühlen sich auch durch e<strong>in</strong>e<br />
offizielle, gerichtliche Auffor<strong>der</strong>ung zur Kontaktaufnahme mit e<strong>in</strong>em<br />
Helfersystem noch immer nicht wirklich gezwungen, unabhängig davon,<br />
ob dies nun e<strong>in</strong>er Unsensibilität gegenüber <strong>Zwang</strong> o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er schlichten<br />
Verleugnung entspricht. Nicht selten müssen die Androhung von unangenehmen<br />
Konsequenzen <strong>und</strong> e<strong>in</strong> geduldiges Umwerben des Klienten durch<br />
den zukünftigen Helfer zusammen kommen, damit sich e<strong>in</strong>e ausreichende<br />
Menge bzw. e<strong>in</strong>e fallspezifisch passende Mischung von Push- <strong>und</strong> Pullfaktoren<br />
ergibt, die den Klienten zu e<strong>in</strong>er ersten Kontaktaufnahmen mit<br />
dem Hilfesystem motivieren.<br />
Hilfen im <strong>Zwang</strong>skontext werden häufig mit zusätzlichen Kontrollaufgaben<br />
versehen. Beispielsweise soll <strong>der</strong> Sozialarbeiter nicht nur regelmäßig<br />
<strong>in</strong> die Familie kommen <strong>und</strong> darüber Buch führen, wann ihr geöffnet wird<br />
<strong>und</strong> wann nicht, son<strong>der</strong>n jedes Mal die Wohnung <strong>in</strong>spizieren <strong>und</strong> darauf<br />
prüfen, ob sie ernste Ges<strong>und</strong>heitsrisiken <strong>für</strong> die m<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
aufweist wie herumliegenden Müll o<strong>der</strong> verdorbene Lebensmittel. E<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es<br />
Beispiel ist <strong>der</strong> Betreuer im Jugendzentrum o<strong>der</strong> Sportvere<strong>in</strong>. Er soll<br />
darüber Buch führen, ob die vom Gericht auferlegten Arbeitsst<strong>und</strong>en im<br />
Rahmen <strong>der</strong> <strong>Institut</strong>ion ordentlich abgearbeitet werden. Die Durchführung<br />
solcher Kontrollaufgaben kann mit den Klienten auch vere<strong>in</strong>bart<br />
werden, d. h. sich auf ihre E<strong>in</strong>sicht stützen <strong>und</strong> <strong>in</strong>sofern von ihrer Seite aus<br />
freiwillig erfolgen. „Mach das <strong>für</strong> mich, ich brauche jemanden, <strong>der</strong> mir <strong>in</strong><br />
den Arsch tritt“, kann z. B. e<strong>in</strong> Jugendlicher sagen <strong>und</strong> se<strong>in</strong>en Betreuer so<br />
zu Kontrollaufgaben ermächtigen, unabhängig davon, ob das auch mit e<strong>in</strong>er<br />
gerichtlichen Aufgabendelegation verb<strong>und</strong>en ist o<strong>der</strong> nicht (wobei die<br />
letztere nie geleugnet werden darf). Dennoch dürften Kontrollaufgaben<br />
von Helfern immer wie<strong>der</strong> von ambivalenten Gefühlen <strong>der</strong> Klienten begleitet<br />
werden, weil sie ja regelmäßig an die eigene Unfähigkeit er<strong>in</strong>nern.