Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...
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Mathias Schwabe <strong>und</strong> Thomas Evers<br />
öfters aus. Aber komme da nicht re<strong>in</strong>, ich raste ja nicht so aus wie Nico, mache<br />
die Türen nicht kaputt!“ Auf die Frage des Interviewers, woh<strong>in</strong> er<br />
dann komme, antwortet er: „E<strong>in</strong>fach <strong>in</strong>s Zimmer, wenn ich mich dann<br />
nicht beruhige, dann geh ich freiwillig <strong>in</strong> den Time-out-Raum“ (Herrmann,<br />
7, 2. Befragung, 2006).<br />
E<strong>in</strong> Mädchen erzählt: „Da kommt man re<strong>in</strong> beim Ausrasten, aber<br />
manchmal setzt <strong>der</strong> Erzieher e<strong>in</strong>en aber auch raus aus <strong>der</strong> Gruppe“ (Thekla,<br />
3, 2. Befragung, 2006). Und e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Mädchen sagt: „Wenn man Wut<br />
hat, kann <strong>der</strong>jenige Bescheid geben, <strong>und</strong> dann gehen die Erzieher mit e<strong>in</strong>em<br />
boxen“. Auf die Frage, ob es das schon getan habe, antwortet es: „Ich<br />
boxe eher alle<strong>in</strong>e am Boxsack im Abstellraum o<strong>der</strong> geh raus Fußball spielen“<br />
(Petra, 1. Befragung, 2004).<br />
Das Thema, dass <strong>und</strong> wie man se<strong>in</strong>e Wut „rauslassen“ kann <strong>und</strong> dass es<br />
dabei viele unterschiedliche, <strong>in</strong>dividuelle Wege geben kann <strong>und</strong> muss,<br />
sche<strong>in</strong>t zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> dieser Intensivgruppe gut verankert zu se<strong>in</strong>. Der<br />
Auszeitraum wird auch von den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n als e<strong>in</strong> Element <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em verzweigten<br />
System <strong>der</strong> Wut- <strong>und</strong> Krisenbewältigung wahrgenommen.<br />
Bezogen auf die emotionale Wahrnehmung des Auszeitraumes haben<br />
wir bei beiden Befragungen nur sehr wenige Äußerungen gehört, die auf<br />
Angst <strong>und</strong> negative Assoziationen h<strong>in</strong>deuten: E<strong>in</strong> Mädchen hat <strong>in</strong>sofern<br />
etwas Unangenehmes erlebt, weil sie die Türe des Raumes auf Gr<strong>und</strong> des<br />
ungewohnten Schiebemechanismus zunächst nicht öffnen konnte, nachdem<br />
sie diese selbst zugezogen hatte. Für kurze Zeit geriet sie deshalb <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>e milde Form von Panik, wurde aber rasch befreit. E<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er, neu aufgenommener<br />
Junge äußert: „Wir dachten ja, dass Nico dort von den Erziehern<br />
geschlagen wurde, weil <strong>der</strong> hat da so geschrieen, da hatten wir e<strong>in</strong><br />
Gruppengespräch darüber, da haben wir dann Namen <strong>für</strong> den Raum gesammelt“<br />
(Leon, 2, 2. Befragung, 2006). Auch wenn er von „wir“ spricht,<br />
so ließ sich rekonstruieren, dass zu dieser Zeit nur er an Schläge dachte, die<br />
an<strong>der</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong> über das Geschehen im Auszeitraum aber gut aufgeklärt<br />
waren. Dennoch sieht man an dieser Äußerung, dass die lauten Schreie <strong>der</strong><br />
zwangsweise <strong>in</strong> den Raum verbrachten K<strong>in</strong><strong>der</strong> von den an<strong>der</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />
wahrgenommen werden <strong>und</strong> unwillkürlich Phantasien auslösen. Für die<br />
meisten K<strong>in</strong><strong>der</strong> wird es <strong>in</strong> hohem Maße irritierend se<strong>in</strong>, wenn sie auch nur<br />
<strong>für</strong> kurze Zeit, mit <strong>der</strong> Vorstellung leben müssen, sie wären <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Heim, <strong>in</strong> dem zum<strong>in</strong>dest „schlimme“ K<strong>in</strong><strong>der</strong> regelmäßig geschlagen werden.<br />
Dies zeigt, wie wichtig es ist, alle Eltern <strong>und</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Aufnahme<br />
über die Auszeitraumnutzung zu <strong>in</strong>formieren <strong>und</strong> sie zu ermuntern,<br />
je<strong>der</strong>zeit dazu Fragen zu stellen. Ebenso notwendig ist die Thematisierung<br />
dieser Raumnutzung im Gruppengespräch mit allen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />
Bei <strong>der</strong> großen Mehrheit <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> wird deutlich, dass sie Angst vor<br />
den mit den Auszeitraumnutzungen e<strong>in</strong>hergehenden Phänomenen haben<br />
wie lautem Gebrüll, Werfen mit Gegenständen, Angriffen auf Fachkräfte