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Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

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Mathias Schwabe <strong>und</strong> Thomas Evers<br />

haltes als Ausdruck von Engagement <strong>und</strong> Fürsorge <strong>der</strong> Erwachsenen erleben<br />

bzw. als Versuch sie auf den richtigen Weg zu br<strong>in</strong>gen (Menk/ Schnei<strong>der</strong><br />

2006). Insofern war es dort möglich, e<strong>in</strong>en höheren Grad von E<strong>in</strong>willigung<br />

<strong>der</strong> Jugendlichen <strong>in</strong> die an sie gestellten Erwartungen zu erhalten.<br />

Immerh<strong>in</strong> fanden vier von zehn ehemaligen Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> von uns<br />

untersuchten Heimgruppe zum<strong>in</strong>dest nach ihrer Entlassung aus dem<br />

Heim von ihrem neuen Lebensort aus zu e<strong>in</strong>er Haltung <strong>der</strong> nachträglichen<br />

Billigung des Programms, auch wenn sie <strong>in</strong> Bezug auf an<strong>der</strong>e Konzeptelemente<br />

bei ihrer Kritik blieben (vgl. Nachbefragung Step by Step 2006).<br />

5.2.3 Geschlossene Türen <strong>und</strong> ausstiegssichere Fenster<br />

Wenn man die Jugendlichen direkt nach Freiheitsbeschränkungen fragt,<br />

fallen ihnen zu allererst die reglementierten Ausgangszeiten e<strong>in</strong>, die sie <strong>für</strong><br />

viel zu kurz halten. Während <strong>der</strong> Woche endet <strong>der</strong> Ausgang <strong>für</strong> die 14- bis<br />

16-Jährigen um 21.30 Uhr bzw. um 22.00 Uhr. Diese <strong>in</strong> Heimen aber auch<br />

Familien übliche E<strong>in</strong>schränkung erleben die Jugendlichen als sehr viel härter<br />

als die offiziellen Freiheitsbeschränkungen, die <strong>in</strong> zeitweise geschlossenen<br />

Türen <strong>und</strong> ausstiegssicheren Fenstern bestehen.<br />

Interviewer: „Löst das <strong>in</strong> dir noch an<strong>der</strong>e Gefühle aus, wenn Du diese Plexiglasscheiben<br />

siehst?“<br />

Joe (15 Jahre): „Ich denk’, wir s<strong>in</strong>d hier <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Psychiatrie <strong>und</strong> noch nicht<br />

mal e<strong>in</strong>e Psychiatrie hat das? Wie Marsberg [e<strong>in</strong>e Psychiatrie], hat auch<br />

ke<strong>in</strong>e Plexiglasscheiben davor. Wie sieht das denn aus? Das sieht voll aus,<br />

voll so – ke<strong>in</strong>e Ahnung, <strong>für</strong> so Leute, <strong>für</strong> so Leute, die da dr<strong>in</strong>ne wären, so<br />

irgendwie Schwerverbrecher o<strong>der</strong> so, ke<strong>in</strong>e Ahnung.“<br />

Interviewer: „Also, du denkst, dass das an<strong>der</strong>e voll abschrecken würde?“<br />

Joe: „Ich denk’ mal schon!“<br />

Interviewer: „Hat Dich schon mal jemand darauf angesprochen?“<br />

Joe (zögert): „Ja.“<br />

Interviewer: „Und was haben die gesagt?“<br />

Joe: „Was ist denn das <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e Scheiße <strong>und</strong> so was halt (. . .) voll <strong>für</strong> Verbrecher.<br />

Und das ist es ja auch nicht. Das s<strong>in</strong>d hier ganz normale K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die<br />

halt ab <strong>und</strong> zu e<strong>in</strong> bisschen Probleme haben wegen D<strong>in</strong>gs so – hören, was<br />

gesagt wird, o<strong>der</strong> so.“<br />

Interviewer: „Und die Mitarbeiter, wie sehen die das mit den geschlossenen<br />

Türen?“<br />

Joe: „Es gibt Betreuer, die sagen, je<strong>der</strong> soll Möglichkeiten auf Flucht haben,<br />

wenn er sie braucht. Es br<strong>in</strong>gt ja auch nichts, sagen manche. Manche, weiß<br />

ich nicht, wie die darüber denken.“ (Joe, 334–352, 1. Befragung, 2004)<br />

Zunächst fühlt sich Joe durch die ausstiegssicheren Fenster an die Psychiatrie<br />

er<strong>in</strong>nert, dann an e<strong>in</strong> Gefängnis mit Schwerverbrechern. Diese<br />

Assoziationen transportieren nach se<strong>in</strong>em Empf<strong>in</strong>den e<strong>in</strong> Fremdbild o<strong>der</strong>

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