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Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

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Mathias Schwabe<br />

gibt es an<strong>der</strong>e Eltern, die ihrem K<strong>in</strong>d vor allem se<strong>in</strong>e eigene Abhängigkeit<br />

vor Augen führen. Manche Eltern nutzen diese <strong>für</strong> sehr subtile Steuerungen,<br />

von denen man, alle<strong>in</strong>e von <strong>der</strong> äußeren Beobachtung her, kaum als<br />

<strong>Zwang</strong> sprechen würde. Aber <strong>für</strong> ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong> wird immer wie<strong>der</strong> <strong>für</strong> kurze<br />

Momente das <strong>in</strong>nere Gefühl drohen<strong>der</strong> Verlassenheit aktiviert. Diese<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> werden, was ihre Autonomiegefühle angeht, systematisch kurz gehalten<br />

<strong>und</strong> auch, was die Qualität <strong>der</strong> B<strong>in</strong>dung betrifft, immer wie<strong>der</strong> verunsichert.<br />

Wenn sie etwas machen, das sich von den Wünschen ihrer Eltern<br />

zu weit entfernt, werden sie am emotionalen Gängelband ihrer<br />

Abhängigkeit wie<strong>der</strong> zurückgeholt. „Dann hat Mutti dich aber nicht mehr<br />

lieb“, wäre so e<strong>in</strong> Satz, mit dem man diese existenzielle Verunsicherung<br />

schüren kann. Nicht umsonst hat sich da<strong>für</strong> <strong>der</strong> Begriff Liebesentzug e<strong>in</strong>gebürgert.<br />

Wenn dieser bewusst <strong>und</strong> systematisch e<strong>in</strong>gesetzt wird, geht es<br />

dabei vor allem um die Angst <strong>der</strong> Eltern vor <strong>der</strong> Unabhängigkeit ihrer<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>, also um die Erhaltung ihrer eigenen Macht. Dann kann man den<br />

Liebesentzug e<strong>in</strong>e geradezu perfide Strategie nennen. Sie schwächt das<br />

K<strong>in</strong>d, <strong>in</strong>dem es ihm die Freude an <strong>der</strong> Autonomie verdirbt.<br />

Etwas an<strong>der</strong>es ist <strong>der</strong> elterliche Kampf gegen überzogene, k<strong>in</strong>dliche<br />

Machtansprüche im Rahmen e<strong>in</strong>er Beziehung, die pr<strong>in</strong>zipiell den k<strong>in</strong>dlichen<br />

Autonomiewünschen positiv gegenüber steht. Auch <strong>und</strong> gerade <strong>in</strong><br />

solch guten Beziehungen müssen sich die Eltern immer wie<strong>der</strong> auch als wi<strong>der</strong>ständig<br />

<strong>und</strong> unverfügbar zeigen. An<strong>der</strong>nfalls kann das K<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong> Gefühl<br />

<strong>für</strong> die Seiten bzw. Ausschnitte <strong>der</strong> Beziehung mit den Eltern, aber<br />

auch <strong>der</strong> realen Welt gew<strong>in</strong>nen, die zum<strong>in</strong>dest auch o<strong>der</strong> immer wie<strong>der</strong><br />

Anpassung, Nachgeben <strong>und</strong> Kompromissbildungen erfor<strong>der</strong>n. Die Idee,<br />

sich alle <strong>und</strong> alles verfügbar machen zu können, wäre e<strong>in</strong>e Haltung <strong>und</strong><br />

auch e<strong>in</strong> Auftrag an sich selbst, <strong>der</strong> das K<strong>in</strong>d mit Sicherheit unglücklich<br />

machen würde. Es hätte se<strong>in</strong>e Grenzen nicht erfahren <strong>und</strong> damit ke<strong>in</strong> zuverlässiges<br />

F<strong>und</strong>ament <strong>für</strong> echtes Selbstvertrauen gewonnen. Wenn Eltern<br />

sich zu oft <strong>und</strong> auf zu vielen Fel<strong>der</strong>n <strong>für</strong> ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong> verfügbar machen,<br />

täuschen sie das K<strong>in</strong>d über die wahren Machtverhältnisse h<strong>in</strong>weg. Oft vermeiden<br />

sie die möglichen o<strong>der</strong> gar nötigen Frustrationen aus Angst, dadurch<br />

die Liebe des K<strong>in</strong>des verlieren zu können. Sie verführen es damit zu<br />

e<strong>in</strong>er maßlosen Anspruchshaltung gegenüber an<strong>der</strong>en auf Gr<strong>und</strong> e<strong>in</strong>es illusionären<br />

Autonomiegefühls. Je länger dieses fortbesteht, um so schwerer<br />

ist es <strong>für</strong> die K<strong>in</strong><strong>der</strong>, darauf zu verzichten, <strong>und</strong> um so aggressiver <strong>und</strong> hartnäckiger<br />

verteidigen sie dieses gegen kritische E<strong>in</strong>schränkungen von<br />

außen, die spätestens mit an<strong>der</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>n im K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten o<strong>der</strong> mit Lehrern<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule auf sie zukommen.<br />

Trotzdem kann man das Weggehen <strong>der</strong> Eltern <strong>in</strong> <strong>der</strong> oben beschriebenen<br />

Szene noch immer deswegen kritisieren, weil es dem K<strong>in</strong>d eventuell<br />

e<strong>in</strong> zu großes Maß an Alle<strong>in</strong>se<strong>in</strong> <strong>und</strong> Verunsicherung zumutet. Hätte man<br />

dieses nicht besser dosieren können? Denkbar wären als Alternativen zum

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