Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

Zwangsmomente in der Familienerziehung
Recht auf Wut und Hass bewusst gelassen hat. Mit dieser Angst rückt die
oben geschilderte Form des Zwanges in die Nähe dessen, was wir einen
Zugriff auf die Seele des Kindes oder das Spielen mit Gefühlen der existenziellen
Abhängigkeit genannt haben.
Beispiel 3: Die Situation betrifft ein knapp 3-jähriges Mädchen, das sich
mit seinen Eltern auf einem öffentlichen Spielplatz befindet. Es hat bereits
etwa eine Stunde im Sandkasten gespielt, mit ein paar Kontaktaufnahmen
zu anderen Kindern, aber überwiegend alleine und ohne häufige Rückversicherung
zu den Eltern, die auf einer Bank saßen und zuschauten. Das
Kind hatte bereits zwei Verlängerungen des Spielplatzbesuches durchgesetzt
und wollte auch das dritte Mal nach mehreren Aufforderungen nicht
mit den Eltern mitkommen. Beide Eltern fühlten sich ihrem Kind gegenüber
in wachsender Weise hilflos, aber auch ärgerlich. In voran gegangenen
Situationen hatte der Vater oder die Mutter das Kind irgendwann ergriffen
und vom Platz getragen, also körperlichen Zwang angewandt.
Dabei strampelte das Kind heftig und wehrte sich gegen diese Form des
Transportes gegen seinen Willen. Erst nachdem der Spielplatz außer Sichtweite
war, beruhigte es sich langsam. Auf diese anstrengende Prozedur haben
die Eltern an diesem Tag keine Lust. Zugleich fühlen sie sich von
ihrem Kind herausgefordert. Am meisten ärgert sie, dass es mit seinem
Verhalten beansprucht, über sie und ihre Zeit verfügen zu können. Sie beraten,
was eine Alternative sein könnte. Nach einem letzten Versuch, das
Kind „im Guten“ zum Mitkommen zu bewegen, verlassen die Eltern den
Spielplatz, wenn auch unter lauten Rufen und freundlichem Winken, so
dass das Kind ihren Abgang und auch die Richtung desselben verfolgen
kann. Das Kind ignoriert sie jedoch. Während die Eltern weggehen, schaut
es nicht auf. Bestenfalls beobachtet es sie aus den Augenwinkeln. Wie die
Eltern aus einem nahen Gebüsch sehen, spielt das Kind noch einige Minuten
weiter mit dem Sand und seinem Schäufelchen, stockt dann, seufzt tief,
spielt weiter, sieht sich sitzend in zwei, drei Richtungen um, kann die Eltern
nicht sehen, erhebt sich, macht ein paar orientierungslose Schritte erst
in diese, dann in jene Richtung und fängt jämmerlich zu weinen an. Noch
bevor die Eltern auf den Spielplatz zurückgeeilt sind, haben sich zwei andere
Mütter des weinenden Kindes angenommen. Aus deren Armen übernehmen
die Eltern ihr Kind, das sie auch sofort wahrnimmt, und trösten
es. Es lässt sich ohne Protest vom Spielplatz tragen, weint aber noch einige
Minuten lang mit – wie die Eltern es einschätzen – einer Mischung aus
tiefem Erschrockensein und Wut, aber ohne dass diese wie sonst zu
Attacken gegen die Eltern führen würde.
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