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Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

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182<br />

Rüdiger Ernst <strong>und</strong> Peter Höflich<br />

§ 1688 Abs. 1 BGB: Lebt e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d <strong>für</strong> längere Zeit <strong>in</strong> Familienpflege, so ist<br />

die Pflegeperson berechtigt, <strong>in</strong> Angelegenheiten des täglichen Lebens<br />

zu entscheiden sowie den Inhaber <strong>der</strong> elterlichen Sorge <strong>in</strong> solchen Angelegenheiten<br />

zu vertreten. (...)<br />

Abs. 2: Der Pflegeperson steht e<strong>in</strong>e Person gleich, die im Rahmen <strong>der</strong><br />

Hilfe nach den §§ 34, 35 <strong>und</strong> 35a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 <strong>und</strong> 4 des Achten Buches<br />

Sozialgesetzbuch die Erziehung <strong>und</strong> Betreuung e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des übernommen<br />

hat.<br />

Für K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche, die <strong>in</strong> Pflegefamilien <strong>und</strong> E<strong>in</strong>richtungen über<br />

Tag <strong>und</strong> Nacht s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> damit außerhalb des Elternhauses aufwachsen,<br />

nehmen Pflegepersonen <strong>und</strong> Betreuungspersonen <strong>in</strong> Heimen faktisch die<br />

Erziehung wahr (BT-Drucksache 13/4899, 155). Diese Pflegepersonen sollen<br />

zum Wohl des K<strong>in</strong>des mit entsprechenden Handlungs- <strong>und</strong> Vertretungsbefugnissen<br />

ausgestattet werden, um ihre Aufgaben erfüllen zu können<br />

(F<strong>in</strong>ger 2002, § 1688 RdNr. 1). Weil den Erziehern im Heim bzw. <strong>der</strong><br />

Pflegeperson die Erziehung <strong>und</strong> Betreuung <strong>der</strong> bei ihnen untergebrachten<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> obliegen, räumt das Recht ihnen die Entscheidungskompetenz <strong>in</strong><br />

Angelegenheiten des täglichen Lebens e<strong>in</strong> (§ 1688 Abs. 1 <strong>und</strong> 2 BGB; zum<br />

Ganzen: Meysen 2005). E<strong>in</strong>e bisher wenig diskutierte, aber im Ergebnis zu<br />

bejahende Frage ist, ob im Rahmen des § 1688 Abs. 2 BGB den Heimerziehern<br />

<strong>in</strong> gleichem Maß <strong>und</strong> Umfang das Recht zusteht, ihre Erziehungsmaßnahmen<br />

gegenüber dem m<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen K<strong>in</strong>d durchzusetzen.<br />

Zu Recht weist Salgo (2002 <strong>und</strong> 2006, § 1688 RdNr. 19 ff) darauf h<strong>in</strong>, dass<br />

Fragen <strong>der</strong> Erziehung bei fremdplatzierten M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen zu den wichtigsten<br />

„Angelegenheiten des täglichen Lebens“ gehören. Denn entwe<strong>der</strong><br />

wurden die hier betroffenen M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Heim untergebracht,<br />

weil ihre Erziehung so gelitten hatte, dass e<strong>in</strong>e dem Wohl des M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen<br />

entsprechende Erziehung nicht gewährleistet war (§ 27 SGB<br />

VIII), o<strong>der</strong> die Eltern waren an <strong>der</strong> Versorgung <strong>und</strong> Erziehung ihres K<strong>in</strong>des<br />

aus an<strong>der</strong>en Gründen verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t, weshalb sie <strong>für</strong> dessen Fremdbetreuung<br />

<strong>in</strong> Erfüllung ihrer elterlichen Pflicht nach § 1631 Abs. 1 BGB Sorge<br />

tragen. Ohne Erziehungskompetenzen <strong>der</strong> <strong>für</strong> die M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen<br />

Verantwortlichen kann Sozialisation nicht gel<strong>in</strong>gen – e<strong>in</strong>e „Erziehung aus<br />

<strong>der</strong> Ferne“ durch die sorgeberechtigten Eltern ist praktisch nicht möglich.<br />

Eltern handeln nur dann ihren Pflichten aus § 1631 Abs. 1 BGB entsprechend,<br />

wenn sie da<strong>für</strong> Sorge tragen, dass im Alltag des fremdplatzierten<br />

K<strong>in</strong>des „Erziehung“ durch die Pflegeperson bzw. den Erzieher stattf<strong>in</strong>det.<br />

Nach § 1688 Abs. 3 BGB können den Heimerziehern durch Vere<strong>in</strong>barung<br />

mit den sorgeberechtigten Eltern – über den ihn § 1688 Absätze 2 <strong>und</strong><br />

3 BGB bezeichneten Umfang h<strong>in</strong>aus – weitere Teile <strong>der</strong> elterlichen Sorge<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> gesetzlichen Vertretung zur Ausübung übertragen werden (Die-

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