Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

Vorwort
„Zwang in der Heimerziehung“ – schon der Titel dieses Buches wirft Fragen
auf, die kontrovers diskutiert werden dürften. Stellen nicht Sozialpädagogik
und Zwang zwei miteinander unvereinbare Pole dar, und ist
nicht Sozialpädagogik gerade die Alternative zur Anwendung von Zwang?
Oder gehören auch Zwangselemente zum (sozial)pädagogischen Handeln,
gibt es eine konstruktive, die Entwicklung junger Menschen fördernde
Anwendung von Zwang? Und spezieller: Kann, darf und soll es überhaupt
– noch oder wieder – Zwangskontexte im Rahmen der institutionellen
Heimerziehung geben?
Die Diskussion um Zwangselemente in der Erziehung im Allgemeinen
und der Heimerziehung im Speziellen kann und darf weder geschichtslos
noch ohne den Blick auf gesellschaftlich-politische Rahmenbedingungen
und Debatten geführt werden. Der kritische Blick bleibt dort zu wahren,
wo allzu schnell ein härteres Durchgreifen und mehr Zwang gegenüber
„schwierigen“ Kindern und Jugendlichen gefordert werden, statt gesellschaftliche
Desintegrationsprozesse und die Lücken im Netz der Hilfen
wahrzunehmen. Zudem gibt die Geschichte der Heimerziehung Anlass
genug, bei der Anwendung von Zwangselementen einrichtungsintern und
auch extern äußerst wachsam zu sein. Die Schicksale ehemaliger Heimkinder,
die derzeit den Petitionsausschuss des Bundestages beschäftigen,
zeigen leider anschaulich, welche seelischen Wunden institutioneller
Zwang gepaart mit individuellem Machtmissbrauch hinterlassen kann.
Im Eckart, dem Evangelischen Fachverband für Erziehungshilfen im
Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen, ist die Frage
der Anwendung freiheitsbeschränkender und freiheitsentziehender
Maßnahmen über lange Zeit intensiv und kontrovers diskutiert worden.
Mit Kreativität und Professionalität waren im Bereich der Erziehungshilfen
vielfältige neue Hilfeformen entstanden. Zwang als Strukturelement
schien überwunden, individuelles Verstehen und heilsame Beziehungen
rückten in den Mittelpunkt. Nicht als Rückschritt, sondern gerade als
Weiterentwicklung dieser Praxis stellte sich jedoch für einige Einrichtungen
die Frage neu, ob eine kontrollierte, fachlich fundierte Anwendung
von Zwangselementen in bestimmten Fällen eine hilfreiche methodische
Ergänzung sein könnte.
Von April 2004 bis Oktober 2006 wurde daher unter Beteiligung von
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