Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

Zwangsmomente in der Familienerziehung
reits, ob bzw. wie sie ihm auch das Telefonieren entziehen könnte, scheitert
aber vorläufig an technischen Details. Ein Schloss wie früher lässt sich
an den modernen Telefonen nicht mehr anbringen.
Im Verlauf des frühen Abends fängt Bodo an, aufzuräumen. Zwischendrin
kommt er zu seiner Mutter und meint: „Da brauch ich doch Tage
für!“ Sie bietet ihm an, für eine halbe Stunde mitzuhelfen, was er aber
nicht annimmt. Nach dem Abendessen setzen sich Mutter und Sohn zusammen
und handeln einen Aufräum-Kontrakt aus, in dem sich die Mutter
auch Bestrafungsmöglichkeiten reserviert, falls die Abmachungen von
Bodo nicht eingehalten werden.
Obwohl er an diesem Tag noch weiter aufräumen muss, erlaubt die
Mutter Bodo, den Computer schon in das halb aufgeräumte Zimmer zu
stellen. Am nächsten Abend räumt er weiter auf. Ein Vertrag entsteht. Er
wird in den nächsten Wochen zuerst gut, später mal besser, mal schlechter
eingehalten. Die Mutter wendet das Entziehen von für Bodo wichtigen
Gegenständen in den nächsten Jahren weiter an. Die Auswirkungen sind
nie besonders nachhaltig, aber sie zwingen Bodo zumindest kurzfristig zu
einer Art Einlenken. Im später erfolgenden Rückblick auf diese Erziehungsjahre
hat die Mutter nachträglich das Gefühl, dass Bodo diese harten
Eingriffe ab und zu brauchte.
Was hat die Mutter getan?
Der Junge ist zu alt und zu groß, als dass die Mutter ihn mit Körpereinsatz
zu irgendetwas zwingen könnte. Er ist bereits selbstständig genug und interessiert
sich für so viele Ausschnitte der Welt, dass die Androhung der
Aufkündigung der elterlichen Beziehung bei ihm nicht mehr wirkt. Sicher
ist er beeindruckt, wenn die Mutter mit ihm „böse“ ist – die Beziehung ist
an und für sich gut, das würden beide so einschätzen –, aber dieses Gefühl
erreicht nicht (mehr) die Kraft einer existenziellen Verunsicherung. Was
kann die Mutter tun, wenn sie Bodo zu einer Verhaltensänderung bringen
will und es nicht ausreicht, darüber zu reden. Wenn sie ihm nicht so wichtig
ist, dass er für sie oder um ihren Ärger auf ihn zu vermeiden, aufräumt,
dann kann sie ihm etwas wegnehmen, was ihn empfindlich berührt. Es
muss etwas sein, das für ihn zur Zeit eine Quelle von Vitalität und Kraft
darstellt, etwas, dessen Entzug ihn nicht nur ärgert, sondern an einer
schwachen Stelle trifft. Es muss etwas sein, von dem er sich, eingestanden
oder nicht, zur Zeit abhängig fühlt, ohne das er nicht sein kann. Das sind
bei Bodo einerseits die Telefonate mit den Freunden und andererseits die
einsamen Spiele am Computer, in denen er sich seine manuellen Fähigkeiten
beweist, bei denen er sich aber in Heldenphantasien und Tagträume
einspinnen kann, die er in Alltagssituationen als irreal ablehnen würde.
Der Computer stellt für Bodo eine geheime, beinahe magische Kraftquelle
dar, aus der er in vielerlei Hinsicht Bestätigung schöpft und die ihm
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