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Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

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Mathias Schwabe <strong>und</strong> David Vust<br />

geschlossen <strong>und</strong> diese zum ersten Mal angewandt, wurde Nico zu e<strong>in</strong>er<br />

sechsmonatigen <strong>in</strong>tensiven Abklärung <strong>in</strong> die K<strong>in</strong><strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugend-Psychiatrie<br />

geschickt. Diese war zwar schon bei se<strong>in</strong>er Aufnahme sechs Monate<br />

davor beschlossen worden, kam aber, bezogen auf die Planung <strong>der</strong> Auszeit<strong>in</strong>tervention,<br />

ungelegen. Aus Furcht, diesen Behandlungsplatz zu verlieren,<br />

kam Nico <strong>in</strong> die Kl<strong>in</strong>ik, wobei er Teil se<strong>in</strong>er Heimgruppe blieb <strong>und</strong><br />

dort jedes Wochenende <strong>und</strong> auch e<strong>in</strong>en Teil <strong>der</strong> Ferien verbrachte. In <strong>der</strong><br />

Kl<strong>in</strong>ik begann nun Phase 2, die Time-out-Behandlung des aggressiven<br />

Verhaltens, das <strong>der</strong> Junge dort noch viel mehr zeigte als im Heim. Weil er<br />

im sicheren Rahmen <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik nun endlich zeigen konnte, wie viel Hass<br />

<strong>und</strong> Wut <strong>in</strong> ihm schlummerten? O<strong>der</strong> weil er sich <strong>in</strong> diesem neuen Rahmen<br />

mit wenig Tagestruktur viel unsicherer fühlte als <strong>in</strong> <strong>der</strong> Heimgruppe?<br />

Beides wäre möglich.<br />

Obwohl Nico <strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychiatrie <strong>in</strong>sgesamt 38 Mal <strong>in</strong> den Time-out-<br />

Raum gebracht wurde, gibt es <strong>für</strong> die Verän<strong>der</strong>ung des Verhaltens ke<strong>in</strong>e<br />

klare Tendenz. Es sche<strong>in</strong>t, dass er sich bereits <strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychiatrie an diese<br />

Form <strong>der</strong> Intervention gewöhnt hat <strong>und</strong> ihr entwe<strong>der</strong> etwas abgew<strong>in</strong>nen<br />

konnte o<strong>der</strong> sich durch sie zu e<strong>in</strong>er Verhärtung se<strong>in</strong>er Symptomatik herausgefor<strong>der</strong>t<br />

sah. Auch hier sche<strong>in</strong>t beides möglich. Geradezu sträflich<br />

ist, dass die sechs Monate <strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychiatrie ke<strong>in</strong>erlei Erkenntnisse zur<br />

Psychodynamik <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> aggressiven Ausbrüche gebracht haben.<br />

Auch nach e<strong>in</strong>em Jahr lag noch ke<strong>in</strong> ausführlicher Bericht darüber vor,<br />

was die Erwachsenen mit Nico <strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychiatrie erlebt hatten <strong>und</strong> wie sie<br />

ihn e<strong>in</strong>schätzten.<br />

Phase 3 beg<strong>in</strong>nt, nachdem Nico <strong>in</strong>s Heim zurückgekehrt ist. Dort setzte<br />

man nach e<strong>in</strong>er sechswöchigen Pause, <strong>in</strong> <strong>der</strong> er ke<strong>in</strong>e gewalttätigen Angriffe<br />

<strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e Symptome von Überregung zeigte, die begleitete Auszeit<br />

fort. Bei diesen Interventionen ereigneten sich sehr dichte Begegnungen, <strong>in</strong><br />

denen es Nico gelang, im Raum von höchster Wut auf spielerisches, aggressives<br />

Verhalten umzuschalten o<strong>der</strong> auch nach e<strong>in</strong>em Wutwe<strong>in</strong>en se<strong>in</strong>e<br />

Traurigkeit über se<strong>in</strong>e Lebenssituation zu thematisieren. Mehrfach g<strong>in</strong>g<br />

er auf Auffor<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> den Raum mit o<strong>der</strong> suchte ihn freiwillig auf. Er<br />

schien Fortschritte zu machen <strong>und</strong> etwas lernen zu wollen. Gleichzeitig<br />

steigerte er aber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Situationen se<strong>in</strong>e aggressiven Attacken auf<br />

die Frauen, die ihn <strong>in</strong> den Raum gebracht hatten. Er wollte ihnen nach<br />

eigenen Worten wehtun <strong>und</strong> schaffte das auch immer wie<strong>der</strong>. Daraufh<strong>in</strong><br />

machte sich e<strong>in</strong>e gewisse Angst im Team breit. Rätselhaft bleibt aber,<br />

warum Nico das aggressive Verhalten fünf Pädagog<strong>in</strong>nen gegenüber<br />

gleich häufig zeigte, dem e<strong>in</strong>zigen Mann <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe <strong>und</strong> zwei an<strong>der</strong>en<br />

Frauen gegenüber aber nicht. Schließlich wurde Phase 4 e<strong>in</strong>geläutet: Das<br />

Team kehrte auf Anraten e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong><strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendpsychiaters zur Timeout-Intervention<br />

mit Isolierung zurück. Das wurde Nico gegenüber klar<br />

angekündet <strong>und</strong> begründet. Das erste Mal g<strong>in</strong>g er sogar auf Auffor<strong>der</strong>ung

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