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Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

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Mathias Schwabe<br />

ren, um dem Jungen nicht mehr wehzutun als nötig. Hier<strong>in</strong> dürfte <strong>der</strong><br />

entscheidende Unterschied zwischen konstruktivem <strong>Zwang</strong> <strong>und</strong> Gewalt<br />

liegen.<br />

y Der Vater setzt zwar <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e kurze Zeit die vollständige körperliche<br />

Kontrolle über den Sohn durch, aber er nimmt an an<strong>der</strong>en Stellen se<strong>in</strong>e<br />

Gegenwehr h<strong>in</strong>: Hannes beleidigt ihn <strong>und</strong> kommt auch nicht gleich<br />

zum Essen. <strong>Zwang</strong> wird also zugleich <strong>in</strong> massiver Weise angewandt<br />

wie auch begrenzt, also nicht zum Interaktionspr<strong>in</strong>zip erhoben. Es<br />

bleibt bei e<strong>in</strong>em ersten Zugriff mit <strong>Zwang</strong>, auch wenn <strong>der</strong> Junge sich<br />

<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er H<strong>in</strong>sicht weiterh<strong>in</strong> unfolgsam zeigt.<br />

Inwiefern f<strong>in</strong>den hier Lernprozesse statt?<br />

Auch <strong>in</strong> diesem Beispiel geht es um die Kontrolle <strong>der</strong> eigenen lustvollen<br />

Erregung, die dem jüngeren Sohn auf die zweite, etwas lautere Intervention<br />

des Vaters h<strong>in</strong> gel<strong>in</strong>gt, dem Älteren dagegen nicht. Warum das so ist,<br />

wissen wir nicht. Vielleicht ist <strong>der</strong> Jüngere dem Älteren bezogen auf Erregungskontrolle<br />

überlegen, vielleicht gibt es beim Älteren aber auch noch<br />

e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Dynamik, <strong>in</strong> die se<strong>in</strong> Nicht-Hören e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en ist.<br />

1. E<strong>in</strong> beiläufiger Lernprozess könnte dar<strong>in</strong> bestehen, dass <strong>der</strong> Jüngere<br />

am Beispiel des Älteren sieht, wann <strong>und</strong> wie von Seiten des Vaters<br />

<strong>Zwang</strong> angewandt wird. Die Beobachtung <strong>der</strong> dramatischen Szene<br />

dürfte dazu führen, dass <strong>der</strong> Jüngere auch <strong>in</strong> Zukunft eher auf die Vorgaben<br />

des Vaters hört, es sei denn, es reizt ihn, mit dem Vater <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

ähnlichen Kontakt zu kommen wie <strong>der</strong> Bru<strong>der</strong>. Zum<strong>in</strong>dest weiß er<br />

dann, was ihn erwartet. Wie man an diesem Beispiel sieht, müssen K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

nicht unbed<strong>in</strong>gt <strong>Zwang</strong> am eigenen Leib erleben. Gerade <strong>in</strong> Geschwisterzusammenhängen<br />

bietet sich häufig die Gelegenheit, am<br />

Beispiel <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en zu lernen.<br />

2. Für den älteren Sohn könnte es um Lernprozesse auf zwei Ebenen gehen.<br />

Zum e<strong>in</strong>en sche<strong>in</strong>t er se<strong>in</strong>en Vater nicht gleich zu verstehen. Er<br />

entw<strong>in</strong>det sich ihm nach dem ersten Zugriff <strong>und</strong> ruft „Fang mich<br />

doch“, so als könne das Spiel e<strong>in</strong>fach weitergehen. Es kann se<strong>in</strong>, dass<br />

er die deutlichen Signale des Vaters nicht wahrnimmt o<strong>der</strong> nicht<br />

richtig <strong>in</strong>terpretiert. Vielleicht ist er tatsächlich vom E<strong>in</strong>setzen des<br />

<strong>Zwang</strong>s überrascht <strong>und</strong> hat diesen nicht voraus gesehen. Insofern<br />

könnte ihn das darauf folgende <strong>Zwang</strong>serlebnis dazu anregen, <strong>in</strong> Zukunft<br />

genauer zu beobachten, wie die Ansagen <strong>in</strong> solchen Begrenzungssituationen<br />

lauten bzw. wie es kl<strong>in</strong>gt, wenn es ernst wird. Dieser<br />

Lerneffekt würde sicher noch zuverlässiger e<strong>in</strong>treten, wenn <strong>der</strong><br />

Vater mit ihm die Situation nachbespricht <strong>und</strong> klärt, ob <strong>und</strong> warum<br />

Hannes den Ernst <strong>der</strong> Lage nicht begriffen hat <strong>und</strong> was ihm <strong>in</strong> Zukunft<br />

helfen würde, besser zu hören.

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