Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...
Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...
Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
20<br />
Mathias Schwabe, Thomas Evers <strong>und</strong> David Vust<br />
y erstens, dass <strong>der</strong> Gezwungene zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>mal die tatsächliche Anwendung<br />
von <strong>Zwang</strong> erlebt hat, sich also vorstellen kann, wie es sich anfühlt;<br />
y zweitens, dass er dem Zw<strong>in</strong>genden zutraut, das von ihm Angedrohte<br />
auch tatsächlich umzusetzen.<br />
Fehlt e<strong>in</strong>e dieser beiden Voraussetzungen, wird <strong>der</strong> von <strong>Zwang</strong> Bedrohte<br />
sich nicht bee<strong>in</strong>drucken lassen <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Verhalten fortsetzen. Schon an<br />
dieser Stelle wird deutlich, wie ungenau <strong>der</strong> Begriff <strong>Zwang</strong> ist bzw. welche<br />
unterschiedlichen Phänomene damit verb<strong>und</strong>en werden: Der bereits<br />
Überwältigte <strong>und</strong> mit physischem <strong>Zwang</strong> Festgehaltene hat ke<strong>in</strong>en Entscheidungsspielraum.<br />
Er wird direkt <strong>und</strong> unmittelbar geh<strong>in</strong><strong>der</strong>t zu tun,<br />
was er möchte. Der mit physischem o<strong>der</strong> psychischem <strong>Zwang</strong> Bedrohte<br />
dagegen, kann sich <strong>für</strong> das Nachgeben o<strong>der</strong> das weitere Festhalten an se<strong>in</strong>em<br />
Willen entscheiden. Noch ist die unmittelbare <strong>Zwang</strong>sanwendung<br />
nicht e<strong>in</strong>getreten. Wie hoch die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit da<strong>für</strong> auch se<strong>in</strong> mag,<br />
e<strong>in</strong>e Restunsicherheit bleibt, ob sich die Androhung von <strong>Zwang</strong> nicht als<br />
„hohl“ erweist. So verbleibt dem Gezwungenen die Qual <strong>der</strong> Wahl, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
beide Optionen <strong>in</strong> hohem Maße unbefriedigend s<strong>in</strong>d: Aufgabe des eigenen<br />
Willens o<strong>der</strong> Inkaufnahme von wahrsche<strong>in</strong>lich e<strong>in</strong>tretenden, höchst unangenehmen<br />
Konsequenzen, die im Verlust <strong>der</strong> körperlichen Bewegungsfreiheit<br />
o<strong>der</strong> von existenziell bedeutsamen Sicherheiten bestehen können.<br />
Aufgr<strong>und</strong> dieser Wahlmöglichkeit bezeichnen wir diese Form als mittelbaren<br />
<strong>Zwang</strong>.<br />
<strong>Zwang</strong> kann sowohl <strong>in</strong> privaten als auch <strong>in</strong> öffentlichen o<strong>der</strong> staatlichen<br />
Beziehungen zum E<strong>in</strong>satz kommen. Das staatliche Gewaltmonopol besteht<br />
im Gr<strong>und</strong>e <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Monopol <strong>für</strong> die Anwendung von <strong>Zwang</strong>: Polizisten<br />
„dürfen“ e<strong>in</strong>en Menschen überwältigen <strong>und</strong> abtransportieren, <strong>der</strong><br />
sich z. B. <strong>der</strong> gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht hat, o<strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong> Auto mit Hilfe von Straßensperren zum Halten zw<strong>in</strong>gen, wenn sich<br />
dessen Fahrer e<strong>in</strong>er Kontrolle entzogen hat. Jede Anwendung von <strong>Zwang</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit sollte durch Gesetze klar geregelt se<strong>in</strong>. Dennoch tun<br />
sich immer wie<strong>der</strong> Lücken auf, wie z. B. jüngst bei <strong>der</strong> Debatte um die<br />
zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln an Drogen-Dealer deutlich<br />
wurde. Über weite Strecken ist jedes Individuum im Rahmen des Rechtsstaates<br />
vor willkürlich angewandtem <strong>Zwang</strong> geschützt, zum<strong>in</strong>dest vor den<br />
Formen körperlichen <strong>Zwang</strong>s.<br />
Auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage <strong>der</strong> Gesetze lassen sich legale von illegalen Formen<br />
von <strong>Zwang</strong> unterscheiden: Delikte, die mit körperlichem <strong>Zwang</strong> <strong>in</strong> Zusammenhang<br />
stehen, s<strong>in</strong>d z. B. Versuche, jemanden mit Hilfe <strong>der</strong> eigenen<br />
Körperkraft o<strong>der</strong> durch das Vorzeigen o<strong>der</strong> Anwenden von Waffen zu bestimmten<br />
Handlungen zu zw<strong>in</strong>gen (so etwa bei e<strong>in</strong>er Vergewaltigung,<br />
beim Raub o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Erpressung im Rahmen e<strong>in</strong>er Entführung). Diese For-