Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...
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<strong>Institut</strong>ionelle <strong>Zwang</strong>selemente <strong>in</strong> Heimgruppen<br />
nun real o<strong>der</strong> imag<strong>in</strong>är. Wenn diese er<strong>in</strong>nerten Szenen steuerungskräftig<br />
genug s<strong>in</strong>d, dass sie das Zu-spät-Kommen verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, kann man von<br />
<strong>Zwang</strong> reden. Mit e<strong>in</strong>er sofort folgenden Entlassung als Antwort auf das<br />
nächtliche Zu-spät-Kommen müssten die Jugendlichen aber sicher nicht<br />
rechnen. Insofern kann man diese Ausgangsbeschränkung nicht generell<br />
als <strong>Zwang</strong> def<strong>in</strong>ieren. Aus den von den Jugendlichen geäußerten Unmutsbek<strong>und</strong>ungen<br />
zu schließen, kann diffuser Druck, <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Überschreitung<br />
e<strong>in</strong>er Regel verb<strong>und</strong>en ist (hier die Ausgangszeit) unangenehmer <strong>und</strong><br />
bedrücken<strong>der</strong> erlebt werden, als e<strong>in</strong> <strong>in</strong>stitutionelles <strong>Zwang</strong>selement (z. B.<br />
zeitweise geschlossene Türen). Hier bewahrheitet sich, was wir im E<strong>in</strong>leitungskapitel<br />
vermuteten: <strong>Zwang</strong> besitzt neben <strong>der</strong> objektiven auch e<strong>in</strong>e<br />
subjektive Dimension. Wir sollten genau h<strong>in</strong>schauen, was Jugendliche als<br />
e<strong>in</strong>schränkend erleben, ohne dies vorschnell <strong>Zwang</strong> zu nennen, <strong>und</strong> zugleich<br />
darauf gefasst se<strong>in</strong>, dass sie etwas als <strong>Zwang</strong> erleben, was nach objektiven<br />
Kriterien nicht als solcher def<strong>in</strong>iert wird.<br />
3.2.4 <strong>Zwang</strong>, <strong>der</strong> die eigene Entscheidungsfreiheit e<strong>in</strong>schränkt<br />
Alle K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen <strong>der</strong> drei Gruppen müssen an bestimmten<br />
Veranstaltungen des Heimes teilnehmen, die <strong>in</strong> verpflichtenden Freizeitaktivitäten<br />
o<strong>der</strong> Arbeitsdiensten bestehen. Der Nachmittag steht demnach<br />
nur sehr e<strong>in</strong>geschränkt zur freien Verfügung. Der S<strong>in</strong>n dieser Aktivitäten<br />
besteht dar<strong>in</strong>, dass die jungen Menschen ausreichend Bewegung erhalten,<br />
dass unbeschäftigte Zeiten, <strong>in</strong> denen dissoziale Neigungen die Überhand<br />
erhalten können, möglichst kurz gehalten werden <strong>und</strong> <strong>der</strong> Tag bzw. die<br />
Woche e<strong>in</strong>e erkennbare Struktur aufweist. Die Verpflichtung zu solchen<br />
Aktivitäten erfolgte aus <strong>der</strong> Erfahrung <strong>der</strong> Fachkräfte, nach <strong>der</strong> bei dieser<br />
Zielgruppe die E<strong>in</strong>igung auf geme<strong>in</strong>same, freiwillige Aktivitäten häufig<br />
scheitert <strong>und</strong> dass die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen auch bei großen Unlust-<br />
Demonstrationen vor <strong>der</strong> Aktivität anschließend <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e deutlich bessere<br />
Stimmung geraten.<br />
Solcherart verpflichtende Aktivitäten gibt es <strong>in</strong> vielen Heimen. Die<br />
Grade <strong>der</strong> (Un-)Freiwilligkeit auf Seiten <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>/Jugendlichen dürften<br />
erheblich variieren <strong>und</strong> vor allem davon abhängig se<strong>in</strong> wie attraktiv sie die<br />
jeweiligen Aktivitäten erleben. Von <strong>Zwang</strong> kann man h<strong>in</strong>sichtlich dieser<br />
Verpflichtung nur sprechen,<br />
y wenn die Verweigerung dazu führt, dass K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche gegen<br />
ihren Willen an den Ort <strong>der</strong> Aktivität transportiert werden o<strong>der</strong><br />
sie mit an<strong>der</strong>en Formen von Bestrafung rechen müssen, bei denen sie<br />
überwältigt werden.<br />
y wenn die Verweigerung <strong>der</strong> Teilnahme glaubhaft <strong>und</strong> erlebbar zu Liebesentzug<br />
auf Seiten <strong>der</strong> Personen führt, von denen sich das K<strong>in</strong>d abhängig<br />
fühlt, o<strong>der</strong> zur (baldigen) Exklusion aus dem Heim führt.<br />
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