Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...
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<strong>Zwang</strong> im Rahmen von Hilfeprozessen<br />
Kontrollaufgaben können also sowohl <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em mehr o<strong>der</strong> weniger freiwillig<br />
e<strong>in</strong>gegangenen wie auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>Zwang</strong>skontext zur Ausübung anstehen.<br />
Sie gehen <strong>für</strong> den Klienten im <strong>Zwang</strong>skontext mit e<strong>in</strong>em weiteren<br />
<strong>Zwang</strong> e<strong>in</strong>her <strong>und</strong> wi<strong>der</strong>sprechen so unserer Def<strong>in</strong>ition, dass man zur Hilfe<br />
gezwungen wird, aber nicht <strong>in</strong> ihr. Das Missverständnis löst sich auf,<br />
wenn wir an die Def<strong>in</strong>ition <strong>der</strong> <strong>Zwang</strong>selemente zurück denken. Bei diesen<br />
übt <strong>der</strong> Helfer direkt <strong>Zwang</strong> aus, wenn auch als e<strong>in</strong>e Aktivität neben<br />
vielen an<strong>der</strong>en. Weil das e<strong>in</strong>e (Kontrollaufgaben, <strong>Zwang</strong>selemente) ohne<br />
das an<strong>der</strong>e (<strong>Zwang</strong>skontext) vorkommen kann, muss man, um begrifflich<br />
sauber zu bleiben, von Hilfen im <strong>Zwang</strong>skontext mit bzw. ohne <strong>Zwang</strong>selemente<br />
bzw. mit o<strong>der</strong> ohne Kontrollaufgaben sprechen. Ebenso kann es<br />
<strong>Zwang</strong>selemente auch <strong>in</strong> Hilfeformen geben, zu denen man sich als Klient<br />
selbst entschlossen hat. Beispiele hier<strong>für</strong> s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e <strong>Zwang</strong>smedikation bei<br />
Hocherregung während e<strong>in</strong>es selbst<strong>in</strong>itiierten Kl<strong>in</strong>ikaufenthalts o<strong>der</strong> die<br />
zwangsweise Verbr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Auszeitraum <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Heim, das man<br />
unter mehreren – auch solchen ohne Auszeitraum – selbst ausgewählt hat.<br />
1.2.3 Erziehung unter <strong>der</strong> Bed<strong>in</strong>gung von Unfreiheit<br />
E<strong>in</strong>e dritte Form von <strong>Zwang</strong> ist diejenige, bei <strong>der</strong> <strong>der</strong> ursprüngliche, unmittelbare<br />
körperliche <strong>Zwang</strong> des Festhaltens auf e<strong>in</strong>e mehrwöchige o<strong>der</strong><br />
-monatige Dauer ausgedehnt <strong>und</strong> an Schließmechanismen bzw. Mauern<br />
o<strong>der</strong> Zäune delegiert wird. Hier wird den Betroffenen nicht mehr gedroht.<br />
Die angekündigten o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest vorher bekannten Konsequenzen s<strong>in</strong>d<br />
e<strong>in</strong>getreten: Sie sitzen fest. Die Türen s<strong>in</strong>d verschlossen, man kann die Zelle<br />
o<strong>der</strong> das Gebäude nicht verlassen. An<strong>der</strong>e haben die mehr o<strong>der</strong> weniger<br />
vollständige Kontrolle über die eigene Bewegungsfreiheit gewonnen. Das<br />
deutlichste Symbol da<strong>für</strong> s<strong>in</strong>d die Schlüssel, die die e<strong>in</strong>en haben <strong>und</strong> die<br />
an<strong>der</strong>n nicht. Bei Zuwi<strong>der</strong>handlung gegenüber bestimmten <strong>in</strong>stitutionseigenen<br />
Regeln <strong>und</strong> Gesetzen kann <strong>der</strong> Grad des Freiheitsentzuges – z. B. <strong>in</strong><br />
Form von E<strong>in</strong>zelarrest – durch zusätzliche <strong>Zwang</strong>selemente noch weiter<br />
verschärft werden. Bestimmte Freiheitsrechte s<strong>in</strong>d demnach permanent<br />
aufgehoben o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>geschränkt, entwe<strong>der</strong> auf Gr<strong>und</strong> e<strong>in</strong>er gesetzlichen<br />
Strafe wie im Jugendstrafvollzug bzw. Jugendarrest o<strong>der</strong> auf Gr<strong>und</strong> e<strong>in</strong>er<br />
richterlichen Weisung, die von e<strong>in</strong>er drohenden Selbst- <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Fremdgefährdung<br />
ausgeht, wie bei <strong>der</strong> geschlossenen Unterbr<strong>in</strong>gung (GU).<br />
Mit Blick auf die <strong>Zwang</strong>smomente <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familienerziehung o<strong>der</strong> die<br />
<strong>Zwang</strong>selemente e<strong>in</strong>es Heimes könnte man davon sprechen, dass diese sich<br />
von <strong>der</strong> Kont<strong>in</strong>uität <strong>und</strong> Intensität her <strong>in</strong> hohem Maße verdichtet, wenn<br />
nicht sogar totalisiert haben. „Freiheitsentzug“ ist da<strong>für</strong> <strong>der</strong> angemessene,<br />
nicht nur juristisch korrekte Begriff. Man kann davon ausgehen, dass diese<br />
neue Qualität zunächst alles Weitere, das <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Institut</strong>ion geschieht,<br />
überschattet, aber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em noch viel stärkeren Maße als bei <strong>der</strong> Etablie-<br />
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