Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...
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Mathias Schwabe <strong>und</strong> David Vust<br />
die zusätzliche E<strong>in</strong>zelbetreuung des K<strong>in</strong>des (Nico) durch das Jugendamt<br />
beendet wurde. Das kann e<strong>in</strong> Zufall se<strong>in</strong>, das kann aber auch e<strong>in</strong>e<br />
Reaktion auf das Fehlen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelbetreuung se<strong>in</strong>. Auch wenn es e<strong>in</strong>e<br />
Reaktion darstellt, wäre zu prüfen, ob <strong>der</strong> Wegfall <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelbetreuung<br />
e<strong>in</strong>e produktive Lücke darstellt. Denn es ist ja nicht wünschenswert,<br />
dass e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d immer nur auf Gr<strong>und</strong> von E<strong>in</strong>zelbetreuung konfliktfrei<br />
leben kann. Das kann notwendige Entwicklungsschritte auch<br />
verzögern. Insofern kann die Auszeitraumnutzung auch e<strong>in</strong>e gute<br />
Fortführung <strong>der</strong> Hilfeplanung, nun aber mit an<strong>der</strong>en Mitteln, se<strong>in</strong>. An<strong>der</strong>erseits<br />
muss geprüft werden, ob <strong>der</strong> Junge überhaupt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage<br />
ist, den Anfor<strong>der</strong>ungen des Alltags <strong>und</strong> <strong>der</strong> Gruppe zu genügen bzw.<br />
ob se<strong>in</strong> Entwicklungspotential dazu fortgeschritten genug ist. Denn<br />
ansonsten stellt die Auszeitraumnutzung nichts an<strong>der</strong>es dar als e<strong>in</strong>e<br />
Reaktion auf Überfor<strong>der</strong>ung des K<strong>in</strong>des bzw. auf Versorgungsmängel<br />
im Alltag.<br />
In e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>n Fall schien die Auszeitraumnutzung e<strong>in</strong>er Tageskl<strong>in</strong>ik<br />
auf Gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> aggressiven Verhaltensweisen e<strong>in</strong>es Jungen notwendig,<br />
kam aber im Heim nicht zustande <strong>und</strong> wurde dort auch gar<br />
nicht <strong>für</strong> nötig gehalten, obwohl <strong>der</strong> Junge vorsorglich als Nutzer angemeldet<br />
worden war. Im Heim besaß <strong>der</strong> Junge im Gegensatz zur<br />
Tageskl<strong>in</strong>ik e<strong>in</strong> eigenes Zimmer, das er <strong>für</strong> Rückzüge <strong>in</strong> aggressiven<br />
Situationen nutzen konnte. Dort ließ er sich auch h<strong>in</strong>schicken <strong>und</strong><br />
konnte sich abreagieren. So wurde nachträglich deutlich, dass <strong>der</strong><br />
Junge mit se<strong>in</strong>em Agieren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik auf das Fehlen e<strong>in</strong>es Rückzugsraumes<br />
reagiert hatte. E<strong>in</strong> solcher Rückzugsraum war im Raumprogramm<br />
<strong>der</strong> Tageskl<strong>in</strong>ik nicht vorgesehen, führte aber zum<strong>in</strong>dest<br />
bei diesem Jungen zu Formen <strong>der</strong> Begrenzung, die er später mit dem<br />
Rückzugsraum nicht mehr brauchte.<br />
Diese beiden Beispiele zeigen, wie leicht <strong>der</strong> Auszeitraum <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
Kompensationsfunktion von strukturellen Lücken bzw. fachlichen<br />
Mängeln geraten kann, die besser auf an<strong>der</strong>en Wegen zu schließen<br />
wären o<strong>der</strong> die durch die Auszeitraumnutzung nur verdeckt werden.<br />
3. Die Verbr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> den Auszeitraum mit <strong>und</strong> ohne Begleitung stellt<br />
e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>schneidende Intervention dar, die schon an sich Bestrafungscharakter<br />
entwickeln kann <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Time-out-Logik auch entwickeln<br />
soll. Trotzdem herrschte <strong>in</strong> beiden E<strong>in</strong>richtungen e<strong>in</strong> Geist vor, nach<br />
dem die Auszeitraumnutzung <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie als Hilfestellung verstanden<br />
wurde. Auszeitraumnutzung wurde als e<strong>in</strong>e geeignete Methode<br />
<strong>der</strong> Verhaltenssteuerung <strong>und</strong> Unterstützung <strong>der</strong> Entwicklung<br />
des K<strong>in</strong>des betrachtet. Insofern müssen alle Aktivitäten, welche die<br />
Auszeitnutzung als Strafe ersche<strong>in</strong>en lassen o<strong>der</strong> diese mit weiteren<br />
Sanktionen komb<strong>in</strong>ieren, sehr aufmerksam beobachtet werden. Mit<br />
dem Auszeitraum ist den Pädagogen e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong> potentes Machtmittel<br />
an die Hand gegeben. An<strong>der</strong>erseits s<strong>in</strong>d mit <strong>der</strong> Nutzung auf<br />
Seiten <strong>der</strong> Mitarbeiter häufig Gefühle von Ärger, Angst <strong>und</strong> Frustra-