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Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

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Was haben die Eltern getan?<br />

<strong>Zwang</strong>smomente <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familienerziehung<br />

y Sie haben <strong>Zwang</strong> ausgeübt, <strong>in</strong>dem sie das K<strong>in</strong>d mit Hilfe ihrer körperlichen<br />

Überlegenheit geh<strong>in</strong><strong>der</strong>t haben, se<strong>in</strong>en Willen auszuführen: Zuerst<br />

wurde nur die Hand festgehalten, die krallen wollte. Später wurde<br />

das sich anklammernde K<strong>in</strong>d aus den Armen <strong>der</strong> Eltern gelöst <strong>und</strong> <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e räumliche Position gebracht als es wollte.<br />

y In <strong>der</strong> Ausführung des <strong>Zwang</strong>es waren die Eltern zugleich entschieden<br />

wie auch vorsichtig: Sie haben konsequent darauf geachtet, sich<br />

selbst nicht weh tun zu lassen, haben aber auch versucht, dem K<strong>in</strong>d so<br />

wenig Schmerzen als möglich zu bereiten.<br />

y Die Eltern haben e<strong>in</strong>en Dreischritt e<strong>in</strong>geführt: Zuerst kommt die verbale<br />

Begrenzung („Ne<strong>in</strong>“), dann die körperliche Begrenzung im Nahbereich<br />

(Festhalten <strong>der</strong> Hand), das Ne<strong>in</strong> wird wie<strong>der</strong>holt, dann erfolgt<br />

u. U. e<strong>in</strong>e weitere Distanzierung (das K<strong>in</strong>d wird abgesetzt). Mit dieser<br />

räumlichen Distanzierung wird dem K<strong>in</strong>d zugleich deutlich, dass die<br />

Eltern bei <strong>der</strong> Regulierung von Nähe <strong>und</strong> Distanz das letzte Wort haben,<br />

<strong>und</strong> ihm somit auch se<strong>in</strong>e Abhängigkeit vor Augen geführt.<br />

y Zwischen jedem dieser Schritte wird ausprobiert, ob das K<strong>in</strong>d das<br />

„Ne<strong>in</strong>“ akzeptieren kann. Dem K<strong>in</strong>d wird nach jedem Akt des Zw<strong>in</strong>gens<br />

die Möglichkeit zur Selbststeuerung gegeben. Nur wenn diese nicht<br />

erfolgt, setzt e<strong>in</strong>e weitere Fremdsteuerung e<strong>in</strong>.<br />

y Nach e<strong>in</strong>er gewissen Zeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> das K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige Male gezeigt hat,<br />

dass es auf die erste Begrenzung reagiert, gibt ihm die Mutter die<br />

Chance, ihre Wange zu berühren, auch wenn das Risiko erneut gekrallt<br />

zu werden, besteht. Die Mutter setzt sich diesem Risiko aus, das K<strong>in</strong>d<br />

probiert <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Wange aus, wie gut es sich selbst beherrschen<br />

kann.<br />

Wenn man das Beispiel mit psychoanalytischen <strong>und</strong> erziehungswissenschaftlichen<br />

Augen betrachtet, f<strong>in</strong>den dort <strong>in</strong> zweierlei Weise Lernprozesse<br />

statt (Köckeritz 2004, 26ff; Schäfer 1989 <strong>und</strong> 2005):<br />

1. Entwicklungspsychologisch betrachtet, s<strong>in</strong>d sadistisch gefärbte<br />

Handlungen von Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong><strong>der</strong>n „normal“: Sie s<strong>in</strong>d fast bei jedem K<strong>in</strong>d zu<br />

beobachten. Man kann davon ausgehen, dass aggressive <strong>und</strong> libid<strong>in</strong>öse<br />

Impulse bei kle<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>n eng verb<strong>und</strong>en s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> sich erst e<strong>in</strong><br />

Stück weit entflechten müssen. Das kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>d muss lernen, se<strong>in</strong>e<br />

wilden <strong>und</strong> rücksichtslosen Liebesäußerungen <strong>in</strong> sozial annehmbare<br />

Formen zu br<strong>in</strong>gen (W<strong>in</strong>nicott 1996, 112ff <strong>und</strong> 132ff). Die Eltern bestehen<br />

<strong>in</strong> diesem Beispiel darauf, dass die sadistische Komponente<br />

unterdrückt werden muss, aber sie bleiben ihrem K<strong>in</strong>d weiter <strong>in</strong> Liebe<br />

verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> zeigen ihm Alternativen <strong>für</strong> die Gestaltung dieser Be-<br />

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