01.11.2012 Aufrufe

Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

18<br />

Mathias Schwabe, Thomas Evers <strong>und</strong> David Vust<br />

gute „Verfolgungs“-Geschichte <strong>in</strong> Gang kommen, bei <strong>der</strong> Hilfe nicht als<br />

Unterstützung erlebt werden konnte.<br />

Aber solche Rekonstruktionen helfen im Moment des Erlebens von<br />

Not nicht weiter: Man muss sich <strong>der</strong> Frage stellen, was das kle<strong>in</strong>ere Übel<br />

darstellt: auf Freiwilligkeit <strong>und</strong> vorsichtige, beziehungsanbahnende Angebote<br />

mit Attraktionscharakter zu setzen, mit dem Risiko, dass das K<strong>in</strong>d<br />

sie nicht annimmt, <strong>und</strong> weiter selbst- <strong>und</strong> fremdgefährdend agiert? O<strong>der</strong><br />

bewusst mit Formen von <strong>Zwang</strong> zu <strong>in</strong>tervenieren, welche das Agieren<br />

zwar e<strong>in</strong>schränken o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest an an<strong>der</strong>e Orte verlagern können, mit<br />

dem Risiko, dass das K<strong>in</strong>d bzw. <strong>der</strong> Jugendliche dies als Missachtung se<strong>in</strong>er<br />

Person <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Autonomiewünsche erlebt <strong>und</strong> sich <strong>der</strong> erzwungenen<br />

Hilfe, so bald sie können, wie<strong>der</strong> entziehen. Bei manchen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

bzw. Jugendlichen mögen sich aus <strong>der</strong> Analyse des bisherigen Lebenslaufes<br />

e<strong>in</strong>deutige Präferenzen <strong>für</strong> die e<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> die an<strong>der</strong>e Form <strong>der</strong> Intervention<br />

ableiten lassen, vor allem entlang <strong>der</strong> Fragestellung, welche <strong>der</strong><br />

beiden Optionen e<strong>in</strong> neues Element im Leben dieser jungen Menschen<br />

darstellen könnte <strong>und</strong> welche eher mehr desselben bedeuten würde<br />

(Schwabe 2003, 44ff). In vielen Fällen wird es allerd<strong>in</strong>gs <strong>für</strong> beide Möglichkeiten<br />

gute Argumente geben, ohne dass diese den Entscheidungsprozess<br />

zw<strong>in</strong>gend <strong>in</strong> die e<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Richtung lenken könnten. Alternativen<br />

mit unterschiedlichen, aber gleich hohen Risiken kann man nur<br />

entscheiden, e<strong>in</strong> Stück Kont<strong>in</strong>genz wird bleiben (Schwabe 2005, 24ff). Zudem<br />

wissen wir, dass <strong>der</strong> Sozialraum Großstadt o<strong>der</strong> Prov<strong>in</strong>z mit den<br />

jeweiligen unterschiedlichen politischen <strong>und</strong> medialen Strukturen von<br />

hoher Bedeutung <strong>für</strong> den Ausgang dieser Entscheidung s<strong>in</strong>d (Birtsch et al.<br />

1993).<br />

Zu Formen von <strong>Zwang</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erziehung bzw. den Erziehungshilfen<br />

wird man sich als Fachkraft nur entscheiden können, wenn man selbst positive<br />

Erfahrungen damit gemacht hat: am eigenen Leib o<strong>der</strong> im Kontakt<br />

mit Klienten bzw. Adressaten von Hilfe (Stiels-Glenn 1997). Wer die Wirkungen<br />

von <strong>Zwang</strong> im Laufe des weiteren Entwicklungsprozesses mehrerer<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> o<strong>der</strong> Jugendlicher aufmerksam beobachtet hat, wird allerd<strong>in</strong>gs<br />

zugeben müssen, dass die damit komb<strong>in</strong>ierten Hilfeprozesse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen<br />

Fällen zufrieden stellend verliefen, <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en enttäuschend o<strong>der</strong> ambivalent.<br />

Ob das an <strong>der</strong> Anwendung von <strong>Zwang</strong> an sich liegt, an <strong>der</strong> konkreten<br />

Art <strong>und</strong> Weise, wie er praktiziert o<strong>der</strong> erlebt wurde, o<strong>der</strong> an an<strong>der</strong>en<br />

wichtigen Sett<strong>in</strong>gelementen, auf <strong>der</strong>en Mitwirken <strong>Zwang</strong> angewiesen ist,<br />

um se<strong>in</strong>e konstruktiven Potentiale entfalten zu können, muss <strong>der</strong>zeit offen<br />

bleiben (Schwabe 2001b). Längerfristig angelegte vergleichende Evaluationsstudien<br />

können, bezogen auf diese Fragen, sicherlich Teilantworten<br />

liefern. Angesichts <strong>der</strong> Komplexität vielfältiger, sich bald verstärken<strong>der</strong>,<br />

bald gegenseitig neutralisieren<strong>der</strong> Kräfte, die im Hilfesett<strong>in</strong>g gleichzeitig<br />

<strong>und</strong> nache<strong>in</strong>an<strong>der</strong> auf junge Menschen e<strong>in</strong>wirken, <strong>und</strong> angesichts <strong>der</strong> un-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!