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Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

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<strong>Zwang</strong>smomente <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familienerziehung<br />

Vorgehen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Situation z. B. e<strong>in</strong> klar angekündigtes Wie<strong>der</strong>-zurück-<br />

Kommen <strong>der</strong> Eltern („Wir gehen jetzt, aber wir kommen wie<strong>der</strong>, so lange<br />

kannst du noch spielen!“) o<strong>der</strong> aber e<strong>in</strong>e raschere Rückkehr, noch bevor<br />

das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Panik ausgebrochen ist.<br />

E<strong>in</strong> Mitarbeiter im Projekt er<strong>in</strong>nerte sich an e<strong>in</strong>e ähnliche Szene: Als<br />

4-Jähriger hatte er sich nach e<strong>in</strong>em Badeausflug geweigert, <strong>in</strong>s Auto e<strong>in</strong>zusteigen,<br />

weil er nicht, wie schon auf <strong>der</strong> H<strong>in</strong>fahrt, erneut <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitte<br />

zwischen se<strong>in</strong>en Geschwistern sitzen wollte. Der Vater war nach langem<br />

Bitten <strong>und</strong> Verhandlungsangeboten, auf die das K<strong>in</strong>d nicht e<strong>in</strong>gehen<br />

konnte <strong>und</strong> wollte, schließlich weggefahren. Nach bangen M<strong>in</strong>uten kam<br />

das Auto zurück, <strong>der</strong> Vater öffnete wortlos die Wagentüre, <strong>der</strong> Junge stieg<br />

e<strong>in</strong> <strong>und</strong> musste den verhassten Platz e<strong>in</strong>nehmen. Bis heute fühlt er sich angesichts<br />

dieser Szene gedemütigt – e<strong>in</strong>e be<strong>in</strong>ahe traumatische Er<strong>in</strong>nerung.<br />

Bei e<strong>in</strong>em Gespräch konnte er allerd<strong>in</strong>gs klar benennen, dass es nicht die<br />

Konfliktzuspitzung war – das Wegfahren des Vaters –, an <strong>der</strong> sich dieses<br />

Gefühl <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie festmacht, son<strong>der</strong>n die Art <strong>und</strong> Weise <strong>der</strong> Rückkehr<br />

bzw. des E<strong>in</strong>steigens. Hätte <strong>der</strong> Vater z. B. das Auto um die Ecke geparkt<br />

<strong>und</strong> wäre er alle<strong>in</strong>e zurück gekommen, hätte er dabei so etwas gesagt wie<br />

„Komm Junge, jetzt ist gut!“ <strong>und</strong> hätte er dazu auch noch e<strong>in</strong>ladend die<br />

Hand ausgestreckt, so wäre es ihm se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>schätzung nach möglich gewesen,<br />

e<strong>in</strong>zulenken, ohne dieses tiefe Verletzungsgefühl erleiden zu müssen.<br />

Die Schmach des erzwungenen E<strong>in</strong>steigens wäre durch die persönliche<br />

Zuwendung seitens <strong>der</strong> Vaters zwar nicht vollständig kompensiert,<br />

aber doch auf e<strong>in</strong> erträgliches Maß reduziert gewesen. Dies kann als e<strong>in</strong> erneuter<br />

H<strong>in</strong>weis darauf verstanden werden, dass auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Situation des<br />

Zw<strong>in</strong>gens <strong>der</strong> <strong>Zwang</strong> nur e<strong>in</strong>en Moment darstellen darf. Freilich wäre die<br />

Erwartung vermessen, dass dies jedes Mal gel<strong>in</strong>gen könnte. Immer wie<strong>der</strong><br />

entfaltet <strong>Zwang</strong> auch e<strong>in</strong>e dramatische Härte, die nicht traumatisch wirken<br />

muss, aber so wirken kann, weswegen es realistisch ist, auf <strong>der</strong> unaufhebbaren<br />

Nähe von <strong>Zwang</strong> <strong>und</strong> Gewalt zu bestehen.<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> dürfen also Autonomie- <strong>und</strong> Machtgefühle genießen, müssen<br />

sie aber auch immer wie<strong>der</strong> mit den realen Macht- <strong>und</strong> Abhängigkeitsverhältnissen<br />

abgleichen lernen. Auch diese Ausbalancierung kann man nicht<br />

an e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen Situation vermitteln; sie muss mit je<strong>der</strong> Erweiterung <strong>der</strong><br />

k<strong>in</strong>dlichen Kompetenzen neu kalibriert werden. Zwei Jahre später wird<br />

das Mädchen auf dem Spielplatz sitzen bleiben <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Eltern ohne Tränen<br />

gehen lassen. Erstens kann es se<strong>in</strong> Selbstbewusstse<strong>in</strong> auch ohne <strong>der</strong>en<br />

Rückendeckung aufrechterhalten, zweitens kann es sich <strong>in</strong>zwischen vertrauensvoll<br />

an an<strong>der</strong>e Mütter wenden <strong>und</strong> diese zur Kompensierung verwenden<br />

<strong>und</strong> drittens weiß es, dass die Eltern zurück kommen.<br />

Auch die Möglichkeiten <strong>der</strong> körperlichen E<strong>in</strong>schränkung nehmen mit<br />

den Jahren eher ab als zu. All das spricht da<strong>für</strong>, bei den eigenen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

mit wachsendem Alter immer mehr auf Aushandlung <strong>und</strong> Selbststeuerung<br />

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