Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...
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Mathias Schwabe <strong>und</strong> Thomas Evers<br />
Interviewer: „Haben Dich da schon welche drauf angesprochen?“<br />
Otto: „Aber so ist auch – na ja es gibt da so ne Gewaltbereitschaft, f<strong>in</strong>de<br />
ich, wenn man da so e<strong>in</strong>geengt untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> lebt“. (Otto, 121–125, 2. Befragung,<br />
2005)<br />
Für Otto hat die Situation <strong>der</strong> Geschlossenheit <strong>für</strong> jeweils e<strong>in</strong>ige St<strong>und</strong>en<br />
den Effekt, dass sich die Gewaltbereitschaft unter den Jugendlichen erhöht.<br />
Otto dürfte häufiger Opfer dieser Gewaltbereitschaft geworden<br />
se<strong>in</strong>. Es ist erstaunlich, dass e<strong>in</strong> Jugendlicher, bei dem wenige Monate später<br />
jugendliche Hebephrenie diagnostiziert wird, solche Beobachtungen<br />
machen <strong>und</strong> formulieren kann.<br />
Interviewer: „Wozu dient das [die st<strong>und</strong>enweise geschlossenen Türen]<br />
nach de<strong>in</strong>er Sicht?“<br />
Paul (16 Jahre): „Damit die uns irgendwie besser unter Kontrolle haben. Die<br />
me<strong>in</strong>en, dass wir draußen zu viel Scheiße bauen. Das würden wir nicht<br />
machen, aber die denken, dass wir das machen.“<br />
Interviewer: „Was denken die Mitarbeiter über diese Schließzeiten?“<br />
Paul: „Die f<strong>in</strong>den das natürlich witzig, ja. So, die kommen um so <strong>und</strong> so viel<br />
Uhr re<strong>in</strong>, dann bauen die auch ke<strong>in</strong>e Scheiße draußen. Die f<strong>in</strong>den das besser<br />
so. Aber wenn ich Scheiße bauen will, könnt ich auch tagsüber mitten <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Stadt o<strong>der</strong> so. O<strong>der</strong> am Tage, da hätt’ ich auch ke<strong>in</strong> Problem mit.“ (Paul,<br />
432–436, 1. Befragung, 2004).<br />
Ke<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Jugendlichen sieht <strong>in</strong> den st<strong>und</strong>enweise geschlossenen Türen<br />
o<strong>der</strong> den ausstiegssicheren Fenstern e<strong>in</strong>en Vorteil. E<strong>in</strong>e dadurch verbesserte<br />
Kontrolle über ihr mögliches dissoziales Agieren weisen sie scharf<br />
zurück. Das kontrastiert mit den E<strong>in</strong>schätzungen <strong>der</strong> Betreuer: Für diese<br />
verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n die ausstiegssicheren Fenster vor allem nächtliche Ausflüge, die<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit häufig dazu führten, dass die Jugendlichen am Morgen<br />
sehr müde waren <strong>und</strong> dem Unterricht nicht folgen konnten. Ebenfalls<br />
ermöglichen die st<strong>und</strong>enweise geschlossenen Türen nach ihrer E<strong>in</strong>schätzung<br />
die zeitnahe Klärung von Konflikten im Haus; so wird verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t,<br />
dass sich die Jugendlichen schnell entziehen <strong>und</strong> die Konflikte bzw. ihre<br />
Kränkung darüber draußen an an<strong>der</strong>en ausagieren können.<br />
Die Befragung <strong>der</strong> Jugendlichen brachte allerd<strong>in</strong>gs auch an den Tag,<br />
dass die Pädagogen an zwei, drei Tagen e<strong>in</strong>e eigenmächtige Schließung <strong>der</strong><br />
Gruppe über den ganzen Tag vorgenommen hatten, ohne dass dies vom<br />
Konzept her möglich o<strong>der</strong> mit dem Bereichsleiter vorher abgesprochen<br />
worden war. Diese Fehlentscheidung wurde vom Team e<strong>in</strong>geräumt <strong>und</strong><br />
kam nicht mehr vor.