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Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

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Die Stimmen <strong>der</strong> von <strong>Zwang</strong> Betroffenen hören, verstehen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>ordnen<br />

Paul: „Ja, es geht darum, dass man se<strong>in</strong> Verhalten so testet, halt, <strong>in</strong>dem<br />

man so verschiedene Sachen macht, zum Beispiel durch das Verhalten<br />

kriegt man so Punkte <strong>für</strong> Schule <strong>und</strong> so alles. Man muss so Punkte erreichen,<br />

um auf die nächste Stufe zu kommen <strong>und</strong> anhand <strong>der</strong> Stufen kann<br />

man dann sehen, wie <strong>der</strong> Jugendliche sich so verhält <strong>und</strong> so. (. . .) Als<br />

Überblick also so sieht e<strong>in</strong> Jugendlicher, kann er das o<strong>der</strong> schafft er das zu<br />

dem Zeitpunkt auf die <strong>und</strong> die Stufe zu kommen. (. . .) Da sieht man dann<br />

daran, was <strong>der</strong> Jugendliche <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e Leistung br<strong>in</strong>gen kann.“ (Paul , 16–29,<br />

1. Befragung, 2004)<br />

Nach Angaben von Paul ermöglicht das Punkteprogramm genauere<br />

Selbst- wie auch Fremde<strong>in</strong>schätzungen: Es geht darum, dass <strong>der</strong> Jugendliche<br />

„se<strong>in</strong> Verhalten“ selbst „testet“, vor allem im H<strong>in</strong>blick auf die vorgegebenen<br />

Leistungsziele, die verlangen, dass man <strong>für</strong> e<strong>in</strong>en Aufstieg e<strong>in</strong>e<br />

gewisse Menge Punkte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bestimmten Zeitraum erreichen muss.<br />

Aber auch die Pädagogen profitieren davon. Sie sehen an Hand <strong>der</strong> Punkte,<br />

„wie sich <strong>der</strong> Jugendliche so verhält“ <strong>und</strong> „was <strong>der</strong> Jugendliche <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Leistung“ br<strong>in</strong>gen kann.<br />

Kritisch könnte man sagen: Der gesamte Alltag wird durch das Punkteprogramm<br />

zu e<strong>in</strong>er Art Schulsituation mit Leistungsmessung. Aber Paul<br />

kann dar<strong>in</strong> durchaus e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n sehen. An se<strong>in</strong>er Beschreibung wird deutlich,<br />

wie man e<strong>in</strong> solches Programm den Jugendlichen gegenüber vertreten<br />

müsste, damit sie es annehmen können: wenn deutlich würde, dass es dabei<br />

um Aufklärung von falschen Selbstbil<strong>der</strong>n aber auch die Korrektur von<br />

unrealistischen Leistungsanfor<strong>der</strong>ungen auf Seiten <strong>der</strong> Pädagogen geht,<br />

aus denen diese Konsequenzen ziehen müssten. Aber auch bei Paul folgt<br />

Kritik:<br />

„Weil das ist wie<strong>der</strong> das Spielchen von Erzieher <strong>und</strong> so, die überlegen sich<br />

jedes Mal, was die Neues machen können, dann kommen wie<strong>der</strong> solche<br />

Sachen.“<br />

Interviewer: „Was denkst du denn, wie die Betreuer das Programm f<strong>in</strong>den?“<br />

Paul: „Ja, wie die das f<strong>in</strong>den? Die f<strong>in</strong>den das lustig, die müssen die Regeln ja<br />

nicht e<strong>in</strong>halten. Die sitzen nur h<strong>in</strong>term Block <strong>und</strong> vergeben die Punkte. (. . .)<br />

Für die ist das so e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Spielchen. (. . .) Ja, die s<strong>in</strong>d die Schiedsrichter<br />

<strong>und</strong> wir s<strong>in</strong>d die Spieler.“ (Paul, 192–197 <strong>und</strong> 199, 1. Befragung, 2004)<br />

Paul kommt es so vor, als ob die Pädagogen mit dem Programm e<strong>in</strong><br />

trickreiches Spiel erf<strong>und</strong>en hätten, <strong>in</strong> dem sie die bequemere Position haben:<br />

Sie diktieren die Regeln <strong>und</strong> vergeben die Punkte aus e<strong>in</strong>er distanzierten<br />

Beobachterposition, aber die Jugendlichen müssen „nach ihrer<br />

Pfeife tanzen“. Dieses <strong>für</strong> se<strong>in</strong> Erleben treffende Bild wird durch e<strong>in</strong>e<br />

Nachfrage des Interviewers allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong> Stück weit korrigiert.<br />

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