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Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

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<strong>Zwang</strong>smomente <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familienerziehung<br />

3. Es könnte aber auch se<strong>in</strong>, dass Hannes so <strong>in</strong> die Dynamik des Spiels <strong>in</strong>volviert<br />

war, dass er dieses nicht alle<strong>in</strong>e beenden konnte. Spiel kann<br />

mit unterschiedlichen Graden von Erregung verb<strong>und</strong>en se<strong>in</strong>, die übermächtig<br />

werden kann <strong>und</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> übermütig werden lässt (W<strong>in</strong>nicott<br />

1976, 34). Insofern könnte <strong>der</strong> Ausgang <strong>der</strong> obigen Szene nur e<strong>in</strong>e weitere<br />

Nie<strong>der</strong>lage von Hannes im Umgang mit (Über-)Erregung darstellen.<br />

Damit wäre noch nichts gelernt, aber zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong> Lernfeld markiert,<br />

das über die Situation h<strong>in</strong>aus weiter bearbeitet werden muss.<br />

Das gilt <strong>für</strong> den Vater, auf dessen Unterstützung Hannes angewiesen<br />

ist, m<strong>in</strong>destens genauso wie <strong>für</strong> den Sohn.<br />

4. Als wahrsche<strong>in</strong>lichste Möglichkeit sehe ich e<strong>in</strong>e dritte: Hannes ist sich<br />

se<strong>in</strong>er wachsenden Fähigkeiten <strong>und</strong> damit auch Macht bewusster als<br />

<strong>der</strong> kle<strong>in</strong>e Bru<strong>der</strong>. Er kann mehr als dieser (z. B. Fahrrad fahren), darf<br />

mehr als dieser (z. B. alle<strong>in</strong>e zum Briefkasten) <strong>und</strong> besitzt die <strong>in</strong>teressanteren<br />

Spielsachen (z. B. Lego-Technik), was <strong>der</strong> jüngere Bru<strong>der</strong> immer<br />

wie<strong>der</strong> neidvoll e<strong>in</strong>gestehen muss. Die Eltern unterstützen das<br />

Gefühl des Großse<strong>in</strong>s durchaus <strong>und</strong> gewähren Hannes manches Privileg,<br />

achten aber darauf, dass daraus ke<strong>in</strong>e Nachteile <strong>für</strong> den Jüngeren<br />

entstehen. Trotzdem gerät Hannes ab <strong>und</strong> zu <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Machtrausch.<br />

Auch über die Familie h<strong>in</strong>aus probiert er gerne se<strong>in</strong>e Macht über an<strong>der</strong>e<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus <strong>und</strong> versucht, diese zu dom<strong>in</strong>ieren. Das gilt <strong>in</strong> letzter<br />

Zeit auch <strong>für</strong> se<strong>in</strong>en Umgang mit den Eltern. Es sche<strong>in</strong>t, dass Hannes<br />

nicht mehr ohne Weiteres akzeptiert, dass die Eltern ihm etwas zu sagen<br />

haben. Diese Frage war e<strong>in</strong>e ganze Zeitlang klar entschieden. Aber<br />

offensichtlich stellt sie sich mit je<strong>der</strong> Entwicklungsstufe neu. Was zur<br />

Debatte steht, ist die pr<strong>in</strong>zipielle Anerkennung des Machtüberhanges<br />

<strong>der</strong> Erwachsenen, denen sich e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d – zum<strong>in</strong>dest wenn das dr<strong>in</strong>gend<br />

verlangt wird – unterordnen können soll. Am Anfang gilt das relativ<br />

total, aber selbst bei e<strong>in</strong>em 5-Jährigen besteht die Erwartung, dass er<br />

zum<strong>in</strong>dest grob prüft, ob das, was <strong>der</strong> Erwachsene verlangt, auch vernünftig<br />

ist. Schon K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die bald <strong>in</strong> die Schule kommen, müssen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Lage se<strong>in</strong>, Fremden gegenüber auf <strong>der</strong> Straße o<strong>der</strong> auf e<strong>in</strong>em<br />

Spielplatz den Gehorsam zu verweigern, wenn diese etwas „Schlechtes“<br />

verlangen. Diese E<strong>in</strong>schränkung zeigt, warum die pr<strong>in</strong>zipielle Anerkennung<br />

<strong>der</strong> Vormachtstellung <strong>der</strong> Erwachsenen immer wie<strong>der</strong> verhandelt<br />

werden muss: Sie darf mit wachsendem Alter immer weniger<br />

als re<strong>in</strong>er Gehorsam, son<strong>der</strong>n muss auch mit Elementen <strong>der</strong> Überprüfung<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> aktiven Entscheidung e<strong>in</strong>hergehen. Noch dazu will auch<br />

e<strong>in</strong> 5-Jähriger bereits nicht nur anerkennen, son<strong>der</strong>n auch selbst anerkannt<br />

werden. Deswegen dürften Kämpfe um Anerkennung bereits<br />

<strong>für</strong> dieses Alter zentral werden (Benjam<strong>in</strong> 1990, 39ff; Honneth 1994,<br />

158ff). Diese beg<strong>in</strong>nen mit e<strong>in</strong>er Verweigerung auf Seiten des K<strong>in</strong>des,<br />

die nicht immer, aber immer wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e klare Begrenzung – notfalls<br />

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