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Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

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Mathias Schwabe <strong>und</strong> David Vust<br />

tussymbol auf <strong>der</strong> Hand. Aber gerade an dieser Stelle gab es bei Rückstufungen<br />

ke<strong>in</strong>e Konflikte <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e heftige Gegenwehr. Die Stufenabstiege<br />

waren lange im Voraus absehbar, so dass die Jugendlichen <strong>in</strong>nerlich auf sie<br />

vorbereitet waren <strong>und</strong> die materiellen Privilegien an die Fachkräfte abgeben<br />

konnten. Vielleicht wollten sich die Jugendlichen an dieser Stelle auch<br />

nicht die Blöße geben, <strong>für</strong> etwas zu kämpfen, was so offensichtlich verloren<br />

war, auch wenn sie es als schmerzlich erlebt haben. Auch die bei Verweigerung<br />

drohende Entlassung, welche die Jugendlichen <strong>in</strong> mehreren<br />

Fällen hautnah erlebt haben, dürfte den erlebten <strong>Zwang</strong>scharakter des<br />

Punkteprogramms bei e<strong>in</strong>igen begründet o<strong>der</strong> verstärkt haben. Insofern<br />

kann das Punktesystem je nach <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Situation des Jugendlichen <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> von ihm gefühlten Abhängigkeit vom Heimplatz <strong>und</strong> vom Programm<br />

e<strong>in</strong> <strong>Zwang</strong>selement darstellen. M<strong>in</strong>destens vier von 16 Jugendlichen haben<br />

trotz anfänglichen Leidens unter dem Programm als <strong>Zwang</strong>selement im<br />

Laufe <strong>der</strong> Monate das Beste <strong>für</strong> sich herausgeholt, ohne das Gefühl zu haben,<br />

sich ihm zu sehr unterworfen zu haben. Nachträglich konnten sie<br />

dem Programm e<strong>in</strong>e gewisse erzieherische Funktion zugestehen. Vier an<strong>der</strong>e<br />

Jugendliche haben es von vornehere<strong>in</strong> nicht als schlimm empf<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> es <strong>für</strong> sich nutzen können. Dem gegenüber stehen acht Jugendliche,<br />

die an dem Programm gescheitert s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> die Gruppe aus an<strong>der</strong>en Gründen<br />

<strong>in</strong> Form von wie<strong>der</strong>holtem Entweichen verlassen haben. An<strong>der</strong>en<br />

Heimen mit Punkteprogrammen ist es nach eigenen Angaben besser gelungen,<br />

die Jugendlichen da<strong>für</strong> zu motivieren. Dort steht weniger <strong>der</strong><br />

Machtaspekt des Punkteprogramms im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> als <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuelle<br />

Nutzen <strong>für</strong> das K<strong>in</strong>d bzw. den Jugendlichen (Kenntner 1996; Mauthe et al.<br />

2005; Ückermann/Gün<strong>der</strong> 2005).<br />

3.3 Vorerfahrungen mit <strong>Zwang</strong><br />

In stationäre Jugendhilfe werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel junge Menschen aufgenommen,<br />

wenn nach E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> Fachkräfte die familiären Ressourcen so<br />

erschöpft sche<strong>in</strong>en, dass Formen von familienersetzen<strong>der</strong> Frem<strong>der</strong>ziehung<br />

benötigt werden, um e<strong>in</strong>e günstige Entwicklung des K<strong>in</strong>des zu ermöglichen<br />

o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest weiteren Schaden von ihm abzuwenden. Nicht alle<br />

diese K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen bedürfen zu ihrer weiteren Erziehung <strong>in</strong>stitutioneller<br />

<strong>Zwang</strong>selemente. In vielen Fällen kommt es darauf an, e<strong>in</strong>e<br />

tragfähige Beziehung zu ihnen aufzubauen, die auch das Austragen von<br />

Konflikten <strong>und</strong> das E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen von Begrenzungen unterhalb <strong>der</strong> Schwelle<br />

von <strong>Zwang</strong> be<strong>in</strong>haltet. Auf etliche K<strong>in</strong><strong>der</strong> würde sich <strong>Zwang</strong> sogar ausgesprochen<br />

schädlich auswirken <strong>und</strong> mögliche Entwicklungen mehr verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

als ermöglichen.<br />

<strong>Zwang</strong>selemente können nur dann Erziehungsmittel genannt werden,

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