Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...
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<strong>Zwang</strong>smomente <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familienerziehung<br />
nungen darstellen. Auch <strong>der</strong> Prozess <strong>der</strong> Aushandlung <strong>und</strong> die Form<br />
e<strong>in</strong>es Kontraktes, <strong>in</strong> den die Erfahrung des beidseitigen Ärgers fließt,<br />
stellen e<strong>in</strong>e reife Form <strong>der</strong> Konfliktregelung dar.<br />
y Dass die Wirkung des <strong>Zwang</strong>es nicht sehr lange angehalten hat <strong>und</strong><br />
die Mutter ähnliche Wegnehm-Aktionen wie<strong>der</strong>holt hat, zeigt, dass<br />
das Erleben dieser Form von <strong>Zwang</strong> zum<strong>in</strong>dest ab e<strong>in</strong>em gewissen Alter<br />
auch wie<strong>der</strong> verblassen kann. Es h<strong>in</strong>terlässt ke<strong>in</strong>e tiefgreifenden<br />
E<strong>in</strong>drücke mehr, wie wir sie <strong>für</strong> die ersten <strong>Zwang</strong>serfahrungen angenommen<br />
haben. Die Anwendung von <strong>Zwang</strong> sche<strong>in</strong>t <strong>für</strong> Bodo <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e<br />
Mutter jedes Mal e<strong>in</strong>en Höhepunkt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em länger schwelenden<br />
Konflikt darzustellen. Da <strong>der</strong> Junge weiß, dass se<strong>in</strong>e Mutter <strong>Zwang</strong> ablehnt<br />
<strong>und</strong> selbst als das allerletzte Mittel ansieht, be<strong>in</strong>haltet dieser<br />
auch e<strong>in</strong>e Botschaft <strong>der</strong> Mutter: „Achtung, wenn du jetzt weitermachst,<br />
dann gefährdest du unser bei<strong>der</strong>seitiges Beziehungsideal.“<br />
Diese Botschaft sche<strong>in</strong>t den Jungen immer wie<strong>der</strong> zu erreichen, auch<br />
wenn sie ihn nicht zu dauern<strong>der</strong> Rücksichtnahme bewegen kann. Er<br />
möchte an se<strong>in</strong>er pr<strong>in</strong>zipiell guten Beziehung mit se<strong>in</strong>er Mutter festhalten,<br />
zugleich ist er e<strong>in</strong> Jugendlicher auf dem Weg <strong>der</strong> Verselbstständigung,<br />
<strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Mutter verlassen will <strong>und</strong> muss. Dieser Entwicklungstrend<br />
ist nicht aufzuhalten, aber er muss <strong>in</strong> Bezug auf e<strong>in</strong>en<br />
zu leichtfertigen Umgang mit den Interessen <strong>der</strong> Mutter immer wie<strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>mal unterbrochen werden. Dies geschieht nicht nur, aber eben<br />
auch mit den Mitteln des <strong>Zwang</strong>s.<br />
<strong>Zwang</strong>smomente f<strong>in</strong>den <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familie im günstigen Falle im Rahmen e<strong>in</strong>er<br />
mehrjährigen Beziehung statt. In dieser Beziehung wurden sehr viele<br />
unterschiedliche Formen <strong>der</strong> Begegnung, <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />
<strong>und</strong> des Spiels bzw. <strong>der</strong> Unterstützung <strong>und</strong> Kooperation erlebt, die<br />
nichts mit <strong>Zwang</strong> zu tun haben. Im Kontext dieser gewachsenen Beziehungen<br />
ereignen sich aber auch Episoden, <strong>in</strong> denen <strong>Zwang</strong> zur Anwendung<br />
kommt, immer aber so, dass e<strong>in</strong>e Rückkehr zu an<strong>der</strong>en Formen des<br />
Kontakts möglich <strong>und</strong> wahrsche<strong>in</strong>lich ist.<br />
Wenn das K<strong>in</strong>d die <strong>Zwang</strong>sanwendungen, die es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familie erfahren<br />
hat, beurteilen soll, dann wird se<strong>in</strong> Urteil <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel davon abhängen,<br />
<strong>in</strong> welche „Landschaft“ es diese <strong>Zwang</strong>smomente e<strong>in</strong>gebettet sieht.<br />
Ist diese „Landschaft“ von Zuwendung bzw. Anerkennung geprägt, von<br />
<strong>der</strong> Möglichkeit, selbst mitbestimmen zu können, <strong>und</strong> verläuft die große<br />
L<strong>in</strong>ie <strong>der</strong> Erziehung h<strong>in</strong> zu Freiheit <strong>und</strong> Selbstverantwortung, dann wird<br />
es die <strong>Zwang</strong>smomente eher gut <strong>und</strong> richtig f<strong>in</strong>den, auch wenn es sie im<br />
Moment <strong>der</strong> Anwendung als schrecklich erlebt hat. Nicht die e<strong>in</strong>zelnen<br />
<strong>Zwang</strong>sepisoden werden <strong>für</strong> das Urteil von primärer Bedeutung se<strong>in</strong>,<br />
son<strong>der</strong>n die E<strong>in</strong>schätzung des gesamten Rahmens (Wieland 2006).<br />
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