Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...
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Mathias Schwabe<br />
ziehung. Damit leisten sie e<strong>in</strong>en Beitrag zur Zivilisierung ihres K<strong>in</strong>des.<br />
Freilich bleibt offen, welches weitere Schicksal die sadistischen Impulse<br />
nehmen, denn sie wurden ja zunächst „nur“ unterdrückt. Mit<br />
dem H<strong>und</strong>espiel sche<strong>in</strong>t sich e<strong>in</strong>e weitere Entwicklung abzuzeichnen.<br />
Die eigene aggressive Energie wird mit dem Beißen von H<strong>und</strong>en verb<strong>und</strong>en<br />
<strong>und</strong> wird <strong>in</strong> den Rahmen e<strong>in</strong>es Spieles transformiert. Das Spiel,<br />
das e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung von <strong>in</strong>nerem Impuls <strong>und</strong> äußerer Welt (hier: die<br />
H<strong>und</strong>e, das Kan<strong>in</strong>chen <strong>und</strong> die Jagd) ermöglicht, bietet e<strong>in</strong>e Form, diese<br />
Impulse zu leben, ohne dass damit jemandem wehgetan wird (Schäfer<br />
1984; Schwabe 2001a, 255ff).<br />
2. Zugleich s<strong>in</strong>d K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> diesem Altern noch nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, e<strong>in</strong>en<br />
Handlungsimpuls selbst zu kontrollieren. Impuls <strong>und</strong> Handlung s<strong>in</strong>d<br />
häufig noch e<strong>in</strong>es. Insofern f<strong>in</strong>det über e<strong>in</strong>en Zeitraum von vier bis<br />
sechs Wochen e<strong>in</strong> Lernprozess <strong>in</strong> Bezug auf das Thema Kontrolle<br />
statt. Anfangs will das K<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>en Impuls ausleben <strong>und</strong> erfährt<br />
Fremdkontrolle. Diese verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t nicht nur se<strong>in</strong>e Handlungen, son<strong>der</strong>n<br />
schränkt auch se<strong>in</strong> alterstypisches Omnipotenzgefühl e<strong>in</strong>. Se<strong>in</strong><br />
illusionäres Autonomiegefühl wird beschnitten, es erfährt Ohnmacht<br />
<strong>in</strong> Bezug auf das Ausagieren des Impulses, vielleicht auch auf das<br />
Durchsetzen-Können se<strong>in</strong>es Willens. Zugleich erlebt es aber auch,<br />
dass die Eltern ihm die eigene Kontrolle über se<strong>in</strong>e Impulse zutrauen.<br />
Zu Beg<strong>in</strong>n des Prozesses stellt das wahrsche<strong>in</strong>lich e<strong>in</strong>e Überfor<strong>der</strong>ung<br />
dar. Das K<strong>in</strong>d kann dem Impuls, zu krallen, alle<strong>in</strong>e nicht wi<strong>der</strong>stehen<br />
(W<strong>in</strong>nicott 1983, 91ff; W<strong>in</strong>nicott 1996, 132ff <strong>und</strong> 176ff). Und<br />
doch sche<strong>in</strong>t Selbstkontrolle e<strong>in</strong>e attraktive Alternative zu <strong>Zwang</strong><br />
von außen darzustellen. Schritt <strong>für</strong> Schritt übernimmt das K<strong>in</strong>d<br />
mehr an Selbststeuerung: Zuerst reicht e<strong>in</strong> erstes Festhalten, später<br />
e<strong>in</strong> entschiedenes „Ne<strong>in</strong>“ direkt nach dem Krallen, damit es damit aufhört.<br />
Am Ende kann das K<strong>in</strong>d den Impuls zwar noch spüren, wenn es<br />
mit <strong>der</strong> Hand über die Wange <strong>der</strong> Mutter fährt, aber kann ihn ganz<br />
alle<strong>in</strong>e beherrschen. Das K<strong>in</strong>d tauscht <strong>in</strong> diesem Prozess Triebbefriedigung<br />
gegen die Freude an <strong>der</strong> Erweiterung se<strong>in</strong>er Autonomie<br />
gegenüber <strong>in</strong>neren Impulsen e<strong>in</strong> (W<strong>in</strong>nicott 1974, 184f; W<strong>in</strong>nicott<br />
1983, 176ff).<br />
3. Das K<strong>in</strong>d begegnet <strong>in</strong> den oben beschriebenen Szenen e<strong>in</strong>em erzieherischen<br />
Gr<strong>und</strong>muster: „Ne<strong>in</strong>“ me<strong>in</strong>t Ne<strong>in</strong>. Wenn es sich über die<br />
verbale Begrenzung h<strong>in</strong>weg setzt, muss es mit weiteren, e<strong>in</strong>schneiden<strong>der</strong>en<br />
Interventionen rechnen. Ke<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d kann das am Anfang wissen<br />
<strong>und</strong> abschätzen. Deswegen ist es so wichtig, dass die Eltern das<br />
„Ne<strong>in</strong>“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er klaren <strong>und</strong> verb<strong>in</strong>dlichen Weise e<strong>in</strong>führen <strong>und</strong> mit Hilfe<br />
an<strong>der</strong>er Interventionen absichern. Für e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d, welches das „Ne<strong>in</strong>“<br />
auf diese konsequente Weise erfahren hat, schw<strong>in</strong>gen später <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
e<strong>in</strong>fachen verbalen „Ne<strong>in</strong>“ all die an<strong>der</strong>en Interventionen mit. Es kann