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Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

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<strong>Institut</strong>ionelle <strong>Zwang</strong>selemente <strong>in</strong> Heimgruppen<br />

Zweitens handelt es sich bei E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> öffentlichen Erziehung<br />

um ganz an<strong>der</strong>e Sozialsysteme, als es Familien s<strong>in</strong>d. Familien entsprechen<br />

dem Gesellungstyp natürliche Gruppe. Man gehört „per Blut“ dazu <strong>und</strong><br />

besitzt dort e<strong>in</strong>e „lebenslange, unkündbare Mitgliedschaft“ (Nie<strong>der</strong>berger/Nie<strong>der</strong>berger-Bühler<br />

1988). Heime entsprechen dagegen dem Typus<br />

Organisation. Das Individuum lebt hier e<strong>in</strong>e begrenzte Zeit <strong>für</strong> e<strong>in</strong>en bestimmten<br />

Zweck. Für die Organisation <strong>und</strong> ihre Mitarbeiter stellt das<br />

K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>maliges Individuum dar, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> Exemplar<br />

aus e<strong>in</strong>er Kette von Fällen. Sicher wollen sie diesem professionell <strong>und</strong><br />

aufmerksam begegnen, s<strong>in</strong>d sie <strong>für</strong> ihre Klienten nur begrenzt zuständig.<br />

Nie<strong>der</strong>berger/Nie<strong>der</strong>berger-Bühler haben <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Zusammenhängen<br />

beschrieben, zu welchen Verwirrungen <strong>und</strong> Missverständnissen es bei<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen führt, wenn Heime so tun, als seien sie <strong>in</strong> Bezug<br />

auf Nähe <strong>und</strong> Verb<strong>in</strong>dlichkeit wie e<strong>in</strong>e Familie. Diese von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

<strong>und</strong> Heim gleichermaßen mitgetragene Täuschung mag anfangs gel<strong>in</strong>gen,<br />

führt später aber regelmäßig zu Enttäuschungen <strong>und</strong> Konflikten. Ähnliche<br />

Probleme s<strong>in</strong>d deswegen auch bei e<strong>in</strong>er zu schnellen <strong>und</strong> selbstverständlichen<br />

Anlehnung <strong>der</strong> <strong>in</strong>stitutionellen <strong>Zwang</strong>selemente an die <strong>Zwang</strong>smomente<br />

<strong>der</strong> Familienerziehung zu erwarten (Nie<strong>der</strong>berger/Nie<strong>der</strong>berger-Bühler<br />

1988, 22f).<br />

3.1.1 Kontextbed<strong>in</strong>gungen <strong>für</strong> <strong>Zwang</strong>selemente im Heim<br />

In den Fällen, <strong>in</strong> denen wir <strong>Zwang</strong>smomente als Bildungsimpulse begreifen<br />

können, sehen wir sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en bestimmten Rahmen e<strong>in</strong>gebettet: E<strong>in</strong>erseits<br />

ist dieser von stabilen Beziehungen <strong>und</strong> ausreichen<strong>der</strong> wechselseitiger<br />

affektiver Zuwendung geprägt, an<strong>der</strong>erseits von Mit- <strong>und</strong> Selbstbestimmungsmöglichkeiten.<br />

Auch wenn es nicht allen Familien gel<strong>in</strong>gt, e<strong>in</strong>en solchen<br />

Rahmen aufzubauen, <strong>in</strong> dem <strong>Zwang</strong>smomente e<strong>in</strong>e entwicklungsför<strong>der</strong>liche<br />

Rolle spielen können, so ist das Umfeld Familie doch pr<strong>in</strong>zipiell<br />

dazu <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage.<br />

Im Heim werden <strong>Zwang</strong>selemente dagegen häufig angewandt, ohne<br />

dass e<strong>in</strong>e Beziehung besteht o<strong>der</strong> schon bestehen kann. Häufig kann man<br />

mit dem E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> <strong>Zwang</strong>selemente nicht warten, bis e<strong>in</strong>e solche aufgebaut<br />

werden konnte. Die Konfrontation mit <strong>Zwang</strong>selementen tritt quasi<br />

neben die sich entwickelnde Beziehung mit den Pädagogen o<strong>der</strong> kann sich<br />

erst mittelfristig mit ihr verb<strong>in</strong>den. In E<strong>in</strong>zelfällen <strong>und</strong> bei bestimmten<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n kann man auch von e<strong>in</strong>er die Beziehung begründenden Form von<br />

<strong>Zwang</strong> sprechen, beispielsweise, wenn das K<strong>in</strong>d zu Beg<strong>in</strong>n se<strong>in</strong>er Zeit im<br />

Heim e<strong>in</strong>en Pädagogen erlebt, <strong>der</strong> es mit Hilfe von <strong>Zwang</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Auszeitraum<br />

br<strong>in</strong>gt, ihm aber <strong>in</strong> dieser Situation <strong>und</strong> auch darüber h<strong>in</strong>aus<br />

ausdauernd zugewandt bleibt. Solche e<strong>in</strong>schneidenden Erlebnisse mit Gewaltcharakter<br />

können lebenslang <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung bleiben <strong>und</strong> zu konstruk-<br />

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