Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...
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Die Stimmen <strong>der</strong> von <strong>Zwang</strong> Betroffenen hören, verstehen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>ordnen<br />
lösen dieses bei an<strong>der</strong>en aus, das er mit dem eigenen Selbstbild kontrastiert:<br />
Während die <strong>Institut</strong>ion von Schwer-Erziehbaren o<strong>der</strong> gar Verbrechern<br />
ausgeht, die ausstiegssichere Fenster benötigen, sieht er die Jugendlichen<br />
als „ganz normale K<strong>in</strong><strong>der</strong>“, die „ab <strong>und</strong> zu e<strong>in</strong> bisschen Probleme“<br />
mit dem Gehorsam haben. Interessant ist, dass <strong>der</strong> vorbestrafte <strong>und</strong> auf<br />
Bewährung bef<strong>in</strong>dliche Joe dieses zweifellos arg verkürzte <strong>und</strong> be<strong>in</strong>ahe<br />
klischeehafte Selbstbild angesichts des vermuteten Fremdbildes Schwerverbrecher<br />
formuliert. Es sche<strong>in</strong>t, dass se<strong>in</strong>e Angst, von an<strong>der</strong>en auf das<br />
kränkende Image e<strong>in</strong>es Psychiatrie- o<strong>der</strong> Gefängnis-Insassen reduziert zu<br />
werden, e<strong>in</strong>e ebenso krasse Vere<strong>in</strong>fachung des Selbstbildes auslöst. So als<br />
wolle er mit dem e<strong>in</strong>em Klischee e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es zum Schweigen br<strong>in</strong>gen, vielleicht<br />
auch weil es <strong>in</strong> ihm Selbstzweifel auslöst, als was er sich selbst sehen<br />
kann <strong>und</strong> soll. In an<strong>der</strong>en Gesprächen konnte Joe die Eigenanteile, die ihn<br />
<strong>in</strong>s Heim o<strong>der</strong> zu Bewährungsauflagen geführt haben, sehr viel klarer<br />
schil<strong>der</strong>n. Immerh<strong>in</strong> hat Joe verstanden, dass die Pädagogen nicht darauf<br />
bauen, die Jugendlichen vollständig kontrollieren zu können. Im Gegenteil<br />
gibt es Betreuer, die den Jugendlichen „Möglichkeiten auf Flucht“ zubilligen,<br />
d. h. durchaus verstehen, dass diese ab <strong>und</strong> zu abhauen müssen.<br />
Deshalb s<strong>in</strong>d sie auch damit e<strong>in</strong>verstanden s<strong>in</strong>d, dass die Türen immer nur<br />
st<strong>und</strong>enweise geschlossen s<strong>in</strong>d.<br />
Interessant ist auch, dass sich die be<strong>für</strong>chtete (Selbst-)Stigmatisierung<br />
als Verbrecher mit <strong>der</strong> Zeit abzunehmen bzw. e<strong>in</strong>em Gewöhnungseffekt<br />
mit resignativem E<strong>in</strong>schlag zu weichen sche<strong>in</strong>t. Bei <strong>der</strong> zweiten <strong>und</strong> dritten<br />
Befragung gibt Joe Antworten wie die folgenden:<br />
Interviewer: „Wie bewertest du sowohl die Fenster als auch die Türen, dass<br />
die zu s<strong>in</strong>d?“<br />
Joe: „Ich f<strong>in</strong>d’s halt nicht so schön, aber muss ich halt h<strong>in</strong>nehmen.“<br />
Interviewer: „Das letzte Mal hast Du mir, glaub ich, erzählt, dass du so e<strong>in</strong><br />
Gefühl hattest wie Psychiatrie o<strong>der</strong> so?“<br />
Joe: „Ja, so geschlossen halt, aber (. . .) es ist halt normal, aber es ist nicht<br />
schön. Was soll ich machen?“ (Joe, 152–160, 2. Befragung, 2005)<br />
Die durch die Plexiglasfenster ausgelösten Assoziationen an totale <strong>Institut</strong>ionen<br />
wie Gefängnis <strong>und</strong> Psychiatrie teilen auch Sam (15 Jahre) <strong>und</strong><br />
Otto (15 Jahre):<br />
Sam: „Daaa, was soll ich dazu sagen, näh?! Ich fühl mich hier, als wär’ ich<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychiatrie!“<br />
Interviewer: „Mmh“<br />
Sam: „O<strong>der</strong> im Knast, ey. Alle Türen abgeschlossen, üüüü!“ (Sam, 83, 2. Befragung,<br />
2005)<br />
Und Otto (15 Jahre): „Ja mich stört das Plexiglas vor den Fenstern, ist so!“<br />
Interviewer: „Wobei stört dich das?“<br />
Otto: „Ja, das ist wie im Knast!“<br />
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