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Zwang in der Heimerziehung? - INIB - Institut für Innovation und ...

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<strong>Zwang</strong> im Rahmen von Hilfeprozessen<br />

Angst vor Züchtigung gesteuert werden. Sie spüren, dass mit <strong>der</strong> Weigerung<br />

unangenehme Gespräche <strong>und</strong> Vorhaltungen auf sie zukommen, <strong>und</strong><br />

dieser Druck reicht aus, um sie zum Verlassen des Raumes zu bewegen.<br />

Wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Schüler werden <strong>der</strong> Ansage des Lehrers Folge leisten, weil<br />

sie den Auszeitraum zum Sich-Selbst-Beruhigen schätzen gelernt haben,<br />

weil ihnen e<strong>in</strong>e Pause vom Unterricht ganz recht ist o<strong>der</strong> sie den Lehrer<br />

„eigentlich ganz gern“ mögen <strong>und</strong> nicht weiter verärgern wollen. In vielen<br />

Situationen wird es e<strong>in</strong> Gemisch aus verschiedenen, heterogenen Motiven<br />

se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> denen das Erleben von <strong>Zwang</strong> e<strong>in</strong>e dom<strong>in</strong>ante o<strong>der</strong> bei- bzw. untergeordnete<br />

Rolle spielen kann.<br />

Kähler spricht im Zusammenhang mit unfreiwilligen Klienten, denen<br />

e<strong>in</strong>e Hilfe angetragen o<strong>der</strong> verordnet wird, von Push- <strong>und</strong> Pull-Faktoren<br />

(Kähler 2005, 47ff): Push-Faktoren bestehen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erwartungen unangenehmer<br />

Konsequenzen, die e<strong>in</strong>en Klienten dazu br<strong>in</strong>gen, sich auf das<br />

zunächst ungewollte Hilfeangebot e<strong>in</strong>zulassen. Push-Faktoren schließen<br />

sich zu dem Gefühl von Druck zusammen. Pull-Faktoren stellen dagegen<br />

positive Anreize bzw. mit Hoffnungen aufgeladene Erwartungen dar, die<br />

mit dem E<strong>in</strong>gehen auf das fremde Ans<strong>in</strong>nen verb<strong>und</strong>en se<strong>in</strong> können: Diese<br />

können sich sowohl auf materielle Vorteile beziehen wie auch auf emotionale<br />

Gew<strong>in</strong>ne o<strong>der</strong> psychische Entlastung. Bei e<strong>in</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong>selben Entscheidung<br />

<strong>für</strong> e<strong>in</strong>e von außen erhobene For<strong>der</strong>ung setzen sich jeweils<br />

verschiedene Push- <strong>und</strong> Pull-Faktoren gegen die eigenen Vorbehalte, Be<strong>für</strong>chtungen<br />

<strong>und</strong> Unlustgefühle durch. Die Push- <strong>und</strong> Pullfaktoren können<br />

aber auch zu schwach, die eigenen Ängste o<strong>der</strong> die mit e<strong>in</strong>er verordneten<br />

Hilfe verb<strong>und</strong>enen Kränkungen zu groß se<strong>in</strong>, so dass man sich gegen<br />

diese entscheidet, auch wenn das mit negativen Konsequenzen verb<strong>und</strong>en<br />

ist.<br />

Deswegen kann man von <strong>Zwang</strong>smoment <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er doppelten Weise<br />

sprechen: <strong>der</strong> <strong>Zwang</strong> stellt, zeitlich <strong>und</strong> <strong>in</strong>haltlich betrachtet, nur e<strong>in</strong>en<br />

Moment im Rahmen <strong>der</strong> gesamten Erziehungspraxis dar. Und er stellt im<br />

Erleben dessen, <strong>der</strong> gezwungen wird, häufig nur e<strong>in</strong> Moment <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er komplexen<br />

<strong>in</strong>neren Dynamik dar <strong>und</strong> wirkt dort nur als e<strong>in</strong> Faktor unter mehreren<br />

an<strong>der</strong>en, die das Verhalten <strong>der</strong> Person steuern.<br />

Bei dem Auszeitraum <strong>der</strong> Schule <strong>und</strong> dem mit ihm verb<strong>und</strong>enen Proce<strong>der</strong>e<br />

handelt es sich nicht um e<strong>in</strong>e spontane Aktion e<strong>in</strong>es überfor<strong>der</strong>ten<br />

Lehrers, son<strong>der</strong>n um e<strong>in</strong>e vorher geplante <strong>und</strong> konzeptionell verankerte<br />

Maßnahme <strong>der</strong> Schule. Dazu wurde e<strong>in</strong>e Konzeption erstellt, das Schulamt<br />

<strong>und</strong> Elternvertreter wurden h<strong>in</strong>zu gezogen, die zur Umsetzung notwendigen<br />

Handlungsschritte wurden schriftlich fixiert <strong>und</strong> Dokumentations<strong>und</strong><br />

Kontrollverfahren wurden e<strong>in</strong>gerichtet. Solche mit <strong>Zwang</strong> verb<strong>und</strong>enen<br />

Interventionsformen nennen wir <strong>Zwang</strong>selemente, wenn bzw. weil<br />

sie relativ geplant <strong>in</strong> den Rahmen e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>stitutionellen Form von Erziehung<br />

e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en werden (Neumann 2003). Sie geschehen nicht mehr<br />

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