Heimatbuch Reichelsheim 1992 OCR verlinkt
Reichelsheim in der goldenen Wetterau Historische Betrachtungen von Hagen Behrens Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim Bearbeitung: Hagen Behrens Umschlaggestaltung: Jean Bourdin Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main Erschienen 1992
Reichelsheim in der goldenen Wetterau
Historische Betrachtungen von Hagen Behrens
Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim
Bearbeitung: Hagen Behrens
Umschlaggestaltung: Jean Bourdin
Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main
Erschienen 1992
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8. Das 19. Jahrhundert<br />
a) Nassaus Aufstieg durch Napoleon<br />
Überall in Europa „knirschte es im Gebälk“. Schriftsteller<br />
und Dichter Deutschlands schrieben Freiheitsstücke,<br />
die in Inhalt und Form die alten Regeln „höfischer<br />
Dichtkunst“ sprengten. Goethe schrieb die Dramen<br />
„Goetz von Berlichingen“ und „Egmont“, Schiller<br />
ließ sich als Dichter von „Die Räuber“ (Untertitel: „Gegen<br />
die Tyrannis“) und „Kabale und Liebe“ feiern.<br />
Dem Absolutismus der adligen Herrschaft über ihre<br />
Untertanen wurde der Kampf angesagt; es wurde eine<br />
Anderung der Lebens- und Rechtsbedingungen des Bürgertums<br />
gefordert. Vor allem wurden Meinungs- und<br />
Pressefreiheit gefordert.<br />
Aus der neuen Welt waren zudem Nachrichten gekommen,<br />
die besagten, daß die dortigen Kolonisten sich<br />
gegen das britische Königsregiment erhoben, daß sie<br />
auch Erfolg in ihrem Kampf gehabt hätten, daß sie sich<br />
nun ohne König selbst regieren wollten - als demokratische<br />
Republik! 1789 kam es in Frankreich, dem symbolischen<br />
Sitz des Absolutismus, bedingt durch die schlechte<br />
Finanzlage des Staates, zur Wiedereinberufung der 1615<br />
zuletzt tagenden Generalstände. Der 3. Stand, das Bürgertum,<br />
sollte dieses Mal sogar so stark vertreten sein wie<br />
Geistlichkeit und Adel zusammen! Europa wartete gespannt<br />
auf das, was geschehen würde. _ .<br />
Überall herrschte Nervosität und Unruhe, Unzufriedenheit<br />
und Gereiztheit, gab es doch in den Städten und<br />
auch auf dem Lande seit der verheerenden Mißernte<br />
1788 großen Hunger, stiegen doch die Preise für Brot<br />
und andere Lebensmittel in Höhen, die nicht nur die Armen<br />
verzweifeln ließen. Und das nicht nur in Frankreich<br />
- auch in den deutschen Fürsten- und Herzogtümern war<br />
die Situation bedrohlich.<br />
„Was ist der 3. Stand'?“ fragte in Paris Abbe Sayez.<br />
Und er antwortete selbst mit einem einzigen Wort: „Allesl“<br />
Denn nur der 3. Stand sei in der Lage, sich allein zu<br />
ernähren, sich zu verteidigen, zu verwalten und Bildung<br />
zu vermitteln. Der Ruf nach „Freiheit - Gleichheit - Brüderlichkeit“<br />
aller Menschen wurde nicht nur am 14. Juli<br />
1789 dem König von Frankreich entgegengeschrien.<br />
Auch in unseren Städten und Landstrichen gab es die<br />
Forderung nach „Emanzipation“, also nach Entlassung<br />
aus der Abhängigkeit. Zu Unruhen kam es an den nahe<br />
gelegenen Universitäten Gießen und Marburg - Unruhen,<br />
getragen von den Studenten, aber zum Teil auch unterstützt<br />
von den Handwerkern jener Städte.<br />
Die fürstlichen Herrschaften waren aus Angst vor<br />
„französischen Verhältnissen“ durchweg „antirevolutionär“.<br />
Der vor der Guillotine geflüchtete Adel Frankreichs<br />
wurde deswegen gastfreundlich aufgenommen.<br />
Der Versueh der mit ihnen Verbündeten deutschen Heere,<br />
die Revolution im Nachbarland militärisch zu stoppen<br />
bzw. zu beenden, scheiterte im September 1792 kläglich<br />
(„Kanonade von Valmy“).<br />
Seitdem herrschte allerdings in Frankreich „Vorwärts-<br />
Stimmung“. Noch im gleichen Jahr besetzten die Revolutionsarmeen<br />
Frankfurt und auch Mainz.<br />
Die Herrscher der Fürstentümer Nassau-Weilburg<br />
und Nassau-Usingen schlossen sich ängstlich Frankreichs<br />
Gegnern an, wurden doch von Eroberern wichtige Teile<br />
ihrer Fürstentümer (zwischen Rhein und Mosel) in dem<br />
Bestreben besetzt, den Rhein von Basel bis Koblenz<br />
„endlich“ zur tatsächlichen Grenze Frankreichs zu den<br />
deutschen Fürstentümern werden zu lassen.<br />
Adalbert, Bischof und Abt von Fulda bestätigen<br />
dem „Durchlauchtigsten Fürst Herrn Carl Wilhelm,<br />
Furst zu Nassau“ usw. die Erbleihe an der Hälfte<br />
des Dorfes <strong>Reichelsheim</strong>. (Dieses war die letztrnalige<br />
Erbleihebestatigung vor der Säkularisation)<br />
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