Heimatbuch Reichelsheim 1992 OCR verlinkt
Reichelsheim in der goldenen Wetterau Historische Betrachtungen von Hagen Behrens Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim Bearbeitung: Hagen Behrens Umschlaggestaltung: Jean Bourdin Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main Erschienen 1992
Reichelsheim in der goldenen Wetterau
Historische Betrachtungen von Hagen Behrens
Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim
Bearbeitung: Hagen Behrens
Umschlaggestaltung: Jean Bourdin
Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main
Erschienen 1992
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Theresia, der ersten Frau auf dem Thron des „Erzherzogtums<br />
Österreich“ und des Königrcichcs Ungarn.<br />
Die Folge dieses kalkulierten Angriffes waren die drei<br />
Schlesischen Kriege und der sogenannten Siebenjährige<br />
Krieg (1756 bis 1763).<br />
Preußen suchte sich innerhalb und außerhalb von<br />
Deutschland Verbündetetc, ebenso tat dies Österreich.<br />
So kämpften - wie gut 100 .Iah re zuvor - Engländer und<br />
Franzosen, Russen und Polen, Holsteiner und Hessen,<br />
Nassauer und Bayern in Deutschland miteinander und<br />
gegeneinander.<br />
Manch ein <strong>Reichelsheim</strong>er _junger Bürger mußte Heeresdienst<br />
leisten: entweder unter der Flagge des nassauweilburgischen<br />
Grafen selbst oder als Mitglied einer<br />
Hilfstruppe eines anderen Fürsten: denn auch die Nassauer<br />
wollten nicht „Zuschauer“ des Ringens der zwei<br />
Großen in Deutschland, der Preußen und der Österreicher,<br />
sein. Während sich die Landgrafschaft Hessen-<br />
Kassel mit Preußen und Braunschweig verbündet hatte,<br />
waren Hessen-Darmstadt und die nassauischen Grafschaften<br />
auf österreichischer Seite zu finden, das sich<br />
außerdem zunächst mit England und Rußland zusammengeschlossen<br />
hatte, war doch einer der anderen<br />
Hauptverbündeten Preußens Frankreich, der Erbfeind<br />
Englands in den amerikanischen und indischen Kolonialgebieten.<br />
._<br />
Für Frankreich bot sich zudem die Chance, in das<br />
Reichsgebiet einzudringen, vor allem in das pfälzischhessische<br />
Gebiet. Ob Herrschaftsgebiet von Verbündeten<br />
oder Gegnern: Die französischen Armeen machten<br />
sich breit, sollte doch als Ergebnis des Krieges nicht nur<br />
eine Bindung der Finanzmittel Großbritanniens in Kontinentaleuropa<br />
erreicht werden (Finanzmittel, die jene<br />
dann nicht im Kolonialbereich einzusetzen in der Lage<br />
sein sollten): als Ergebnis des Krieges sollte aus französi-<br />
scher Sicht vorrangig der Gewinn des linken Rheinufers<br />
stehen, ein Ziel, das Ludwig XIV. bereits 60 bis 80 Jahre<br />
zuvor vergeblich versucht hatte zu erreichen. In diesem<br />
Krieg wurde Friedberg 1757 zu einem französischen<br />
Heerlager verwandelt, Gießen wurde mehrere Jahre besetzt<br />
gehalten. Die preußischen Armeen unter dem Prinzen<br />
von Braunschweig versuchten nach dem Bündniswechsel<br />
von England und Frankreich ihrerseits, diesen<br />
linksrheinischen Feind aus diesem Gebiet zu verdrängen.<br />
Für die Menschen hier in der Wetterau bedeutete<br />
das Erscheinen einer Armee immer Last, gleichgültig in<br />
welcher Sprache oder in welchem Dialekt die Heerführer<br />
und Soldaten sprachen!<br />
Größere Schlachten fanden bis auf die bei Bergen im<br />
Norden Frankfurts zwar nicht statt. Aber kleine „Scharmützel“<br />
gab es immer wieder, die weniger die Generale<br />
der streitenden Armeen, sondern mehr die Bewohner<br />
der Gegend beunruhigten und auch in Mitleidenschaft<br />
zogen.<br />
Was die Menschen während dieser schrecklichen Zeit<br />
verunsicherte bzw. beunruhigte? Das war die Frage, wie<br />
sie von dem, was sie nicht abzuliefern hatte bzw. was ihnen<br />
nicht an Ort und Stelle weggenommen wurde, wie sie<br />
von dem wirklich kärglichen Rest überleben, ihre Familie<br />
ernähren sollten?<br />
Hinzu kam, daß sich durch die herumziehenden Heere<br />
auch wieder ansteckende Krankheiten verbreiteten. In<br />
<strong>Reichelsheim</strong> tobte nach Überlieferung durch den damaligen<br />
Pfarrer Hoffmann die Diphterie und raubte vielen<br />
Eltern alle ihre Kinder! Es herrschte Verzweiflung, weil<br />
man damals weder die Urachen der Krankheit noch die<br />
heilenden Medikamente kannte. Aber der Ruf nach<br />
einer einsichtigen Erklärung schallte durch alle Straßen<br />
und Gassen des Ortes. Waren es doch Hexen, oder waren<br />
es die Juden, oder war es einfach Gottes Willen, sei-<br />
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