Heimatbuch Reichelsheim 1992 OCR verlinkt
Reichelsheim in der goldenen Wetterau Historische Betrachtungen von Hagen Behrens Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim Bearbeitung: Hagen Behrens Umschlaggestaltung: Jean Bourdin Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main Erschienen 1992
Reichelsheim in der goldenen Wetterau
Historische Betrachtungen von Hagen Behrens
Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim
Bearbeitung: Hagen Behrens
Umschlaggestaltung: Jean Bourdin
Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main
Erschienen 1992
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6. Vom „Nassauern“<br />
„Von jeher“, so schrieben einst (1807) die <strong>Reichelsheim</strong>er<br />
Ortsbürger ihrem „Durchlauchtigsten Fürst“, dem<br />
„Gnädigsten Fürst und Herrn“, von jeher „schätzen wir<br />
uns um deswillen besonders glücklich, Hochfürstlich Nassau-Weilburgische<br />
Unterthanen zu seyn, weil die großmüthigen<br />
und gnädigen Handlungen der Regenten dieses uralten<br />
Fürstenhauses dem redlichen getreuen Unterthanen<br />
keinen gerechten Wunsch unerfüllt und keine billige Bitte<br />
unerhört übrig ließen.<br />
Ein Denkmal dieses glücklichen Verhältnisses zwischen<br />
Regenten und Unterthanen verehren wir in derjenigen<br />
Übereinkunft“, so schrieben die <strong>Reichelsheim</strong>er weiter,<br />
„welche Euer Hochfürstliche Durchlaucht würdiger Herr<br />
Großvater und wahrhaft edelmüthiger Vorgänger in allen<br />
Regententugenden, des verewigten Fürsten Karl Augusts,<br />
Durchlauchtigsteren l4ten/22ten May 1739 mit dem Flekken<br />
<strong>Reichelsheim</strong> abzuschließen unsere Vorfahren nicht<br />
für unwürdig gehalten haben.“ Im weiteren des Briefes bitten<br />
die „redlich getreuen Unterthanen“ den Fürsten um<br />
Verringerung der Kriegskosten, die entgegen der genannten<br />
Übereinkunft von 1739 immer wieder erhöht worden<br />
seien.<br />
Der amtierende nassauische Amtsverweser nahm Stellung<br />
zu dem Gesuch und führte dabei einmal „die Hauptausgaben“,<br />
die die Gemeinde im Jahr zuvor hatte, auf:<br />
Gulden Kreuzer Pfennige<br />
l. Monatsgeld 1772 25 -<br />
2. Beed 206 14 l<br />
3. Dienstgeld 150 - -<br />
4. Kriegskosten 1856 44 -<br />
5. Interessen von 38000 Gemeindeschulden<br />
(Zinsen) 1520<br />
6. Baukosten 236 58<br />
7. Brandsteuer nach Atzbach 222<br />
Summe 6259 45 1<br />
„Daß diese Erhebung einzelne Gemeindsmitglieder,<br />
vorzüglich den Armen und den sogenannten Mittelmann<br />
drückend gewesen seyn mag“, schreibt der Amtsverweser<br />
nach Wiesbaden, dem Sitz des neugeschaffenen „Herzogtums<br />
Nassau“, weiter, „ist nicht zu leugnen, allein es ist die<br />
Gemeinde, welche den Druck, den die traurigen Zeitumstände<br />
auf ganze Länder legten, nicht in ihren einzelnen<br />
Theilen empfinden sollte? Dabei hätte die suplicantische<br />
(= antragstellende) Gemeinde bedenken sollen, daß der<br />
Fleck, welche man den grösten Theil derselben in Bebauung<br />
ihres fruchtbaren Bodens nicht absprechen kann, sich<br />
hier reichlicher belohnt, als in Gegenden, wo das Feld nur<br />
kärgliche Erndte gibt, und daß der Staat, bey größerem<br />
Kostenaufwand, auch ihre reichlicheren Beiträge um so<br />
williger erwarten dürfe, als sie sich in einem Lande befindet,<br />
wo man zu außerordentlichen Auflagen und im Fall<br />
der größten Noth seine Zuflueht nimmt, und als es ihr billig<br />
noch hätte im Andenken seyn sollen. wie groß das Opfer<br />
war, wodurch gnädigste Herrschaft vor einigen Jahren<br />
auch ihr durch den Erlaß einer dreijährigen Contribution<br />
das erlittene Kriegsungemach weniger fühlbar gemacht<br />
hatte. .<br />
Die <strong>Reichelsheim</strong>er sollten also nach Meinung ihres<br />
Amtsverwesers bitte schön ruhig sein, sie sollten zahlen,<br />
was von ihnen verlangt, denn schließlich und endlich sollten<br />
sie glücklich sein, daß der Boden, den sie in und um<br />
<strong>Reichelsheim</strong> bearbeiteten, fruchtbarer sei als anderswo.<br />
Diese Tatsache solle sie eigentlich sogar dazu bringen, dem<br />
Staat, wenn dieser „größeren Kostenaufwand“ habe, „um<br />
so williger ihre reichlicheren Beträge“ anzubieten.<br />
Die <strong>Reichelsheim</strong>er mußten bei diesem Vorgang wieder<br />
einmal erfahren, daß trotz aller „unterthänigster“ Lobhudeleien<br />
wenig Hilfe von den Herrschaften zu Weilburg<br />
oder Wiesbaden zu erwarten war. Vielmehr mußten sie erneut<br />
erkennen, wie wertvoll sie andererseits für ihren<br />
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