Heimatbuch Reichelsheim 1992 OCR verlinkt
Reichelsheim in der goldenen Wetterau Historische Betrachtungen von Hagen Behrens Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim Bearbeitung: Hagen Behrens Umschlaggestaltung: Jean Bourdin Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main Erschienen 1992
Reichelsheim in der goldenen Wetterau
Historische Betrachtungen von Hagen Behrens
Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim
Bearbeitung: Hagen Behrens
Umschlaggestaltung: Jean Bourdin
Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main
Erschienen 1992
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1809 der österreichische Erzherzog Karl Napoleon bei<br />
Aspern besiegen konnte, wird auch in <strong>Reichelsheim</strong><br />
durch den Ortsbüttel ausgerufen, daß „das Verbreiten<br />
falscher und beunruhigender Kriegsnachrichten“ von<br />
allen Amtsobrigkeiten „jedesmal unverzüglich zur<br />
strengen Verantwortung zu ziehen und nach Befinden<br />
der Umstände empfindlich zu bestrafen“ sei (Archiv<br />
der Stadt R., „VO-Blatt des Herzogtum Nassau“,<br />
Jg. 1809).<br />
Als sich allerdings das Kriegsglück gewendet hatte und<br />
die Österreicher im Oktober 1809 in Wien doch zum<br />
Frieden durch Napoleon gezwungen worden waren, fordert<br />
der Herzog von Wiesbaden aus alle Untertanen der<br />
nassauischen Ämter auf, eine „Feyer des Friedensfestes“<br />
am 10. Dezember 1809 zu begehen. Damit die Feiern in<br />
seinem Sinne verlaufen mögen, gab er den Pfarrern auch<br />
noch durch Verordnung bekannt, welche Gedanken sie<br />
ihrer Predigt zugrunde zu legen hätten:<br />
„Ieh weiß wohl, was ich für Gedanken über Euch habe.<br />
. (Jeremia 29, Verse ll bis 14).<br />
Auch zwei weitere Verordnungen mußten die <strong>Reichelsheim</strong>er<br />
zur Kenntnis nehmen: „Von der französischen<br />
Gesandschaft zu Frankfurt ist die Anzeige gemacht<br />
worden, daß.. _ mehrere Einwohner aus dem Departement<br />
auswandern, um sich in die Krim zu begeben.<br />
. Diese seien, so sie auf der Durchreise hier gesehen<br />
würden, sofort zu arretieren und den französischen<br />
Behörden auszuliefern!<br />
Auch die Verordnung des Herzogs von Nassau betref`fend<br />
der Desertation junger Leute aus seinem Herrschaftsgebiet,<br />
die Androhung schwerster Strafen, der<br />
Einzeihung des gesamten „anteiligen Vermögens“ macht<br />
deutlich, daß kein großer Jubel über die Kriege auf seiten<br />
der Menschen in den verschiedenen Ämtern des Herzogtums<br />
geherrscht haben mag. Da anscheinend die örtlichen<br />
Ämter dem Befehl nur zögernd nachkamen, der<br />
herzoglichen Verwaltung die „Verzeichnisse über das<br />
confiszierte Vermögen der Deserteure“ einzusenden,<br />
wurden sie mehrfach in strengem Ton daran erinnert.<br />
Auch wird befohlen, das „anerfallene liegende Vermögen<br />
derselben zu einer gelegenen Zeit und allenfalls gegen<br />
terminweise Zahlung meistbietend zu versteigern“<br />
(Archiv der Stadt <strong>Reichelsheim</strong>, VO-Blatt des Herzogtum<br />
Nassau, Jg. 1812).<br />
Selbstverständlich war das Leben hier in <strong>Reichelsheim</strong><br />
nicht nur von Krieg und Steuern geprägt. Das Leben hatte<br />
auch seinen Alltag. Aber auch zu dem Alltag finden<br />
sich im Archiv der Stadt Verordnungen, die für uns heute<br />
das Leben der damaligen Zeit verdeutlichen können:<br />
1809 wird rigoros „die Abschaffung der Strohdächer“<br />
verordnet. Es darf keinem „Untertan die Anlegung neuer<br />
Gebäude gestattet werden, wenn sich dieselben nicht<br />
ausweisen können, daß sie zur Anschaffung eines Schiefer-<br />
oder Ziegeldaehes im Stande sind“.<br />
Eine jährlich wiederkehrende Verordnung betrifft die<br />
„Abraupung der Bäume“. Jene aus dem Jahre 1810 lautet:<br />
„Nachdem man wahrgenommen, daß die Raupen<br />
überhand zu nehmen scheinen, und daher an den Obstbäumen,<br />
wie auch den Garten- und Feldfrüchten, ein<br />
großer Schaden zu besorgen stehet, als hat man zu verordnen<br />
für nötig gefunden, daß alle Eigentümer und<br />
Pächter liegender Grundstücke schuldig und gehalten<br />
seyn sollen, die Bäume, Hecken und Gesträuche in ihren<br />
Grundstücken so wie diejenigen, welche die benachbarten<br />
Wege und Fußsteige begränzen, abzuraupen oder abraupen<br />
zu lassen, dergestalt, daß sie die Raupen und Gespinnste<br />
oder Raupennester zu verbrennen und hierbey<br />
die nötige Vorsichtsmaßregeln zur Vermeidung der Feuergefahr<br />
anzuwenden haben.<br />
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