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Heimatbuch Reichelsheim 1992 OCR verlinkt

Reichelsheim in der goldenen Wetterau Historische Betrachtungen von Hagen Behrens Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim Bearbeitung: Hagen Behrens Umschlaggestaltung: Jean Bourdin Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main Erschienen 1992

Reichelsheim in der goldenen Wetterau
Historische Betrachtungen von Hagen Behrens
Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim
Bearbeitung: Hagen Behrens
Umschlaggestaltung: Jean Bourdin
Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main
Erschienen 1992

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Seit 1955 ertönten die Glocken der Kirche wieder so,<br />

wie es die älteren <strong>Reichelsheim</strong>er Mitbürgerinnen und<br />

Mitbürger von klein auf gewöhnt waren, nämlich im<br />

Dreiklang: 10 Jahre nach dem unseligen Krieg war es der<br />

Gemeinde möglich, eine dritte, eine neue Glocke wieder<br />

im Kirchturm zu befestigen. Die „Normalität“ war einen<br />

Schritt weiter gekommen!<br />

Doch alles war nicht so „normal“ wie vor dem Krieg.<br />

Die Menschen hatten sich verändert, auch jene, die hier<br />

geboren worden waren. Zu viel hatten sie in den 2 Jahrzehnten<br />

zuvor erleben müssen, zu sehr waren „Ideale“<br />

als Irrlehren entlarvt. Und so kam es auch zu kleinen<br />

oder größeren Reibereien zwischen der politischen und<br />

der kirchlichen Gemeinde, zwischen den Repräsentanten<br />

dieser zwei Gemeinden innerhalb des Ortes. So ärgerte<br />

es den Pfarrer sehr, daß der Kirchplatz (Besitz der<br />

politischen Gemeinde), der eigentlich zu jener Zeit noch<br />

bis zum Schulhausneubau nicht nur Spielplatz sondern<br />

auch Schulhof war, von den Bauern auch als „Verladerampe<br />

für das Vieh“ genutzt wurde. Was Pfarrer Carl besonders<br />

ärgerte, war, daß sogar sonntags dort das<br />

Schlachtvieh verladen wurde (am Römerberg, unmittelbar<br />

an der Kirchenmauer, befindet sich noch heute das<br />

Wiegehäuschen). „Als sogar während des Sonntagsgottesdienstes<br />

Tiere dort verladen wurden, bin ich zum Bürgermeister<br />

Marloff hingegangen und habe um Abstellung<br />

des Übels gebeten. Er erklärte, die Bürger verlangten<br />

das, daß der Kirchplatz als Verladerampe benützt<br />

wird. Daraufhin habe ich die Behörde in Darmstadt um<br />

Abstellung des Übelstandes gebeten“ (s. Kirchenbuch,<br />

S. 636).<br />

Die Stellung des Pfarrers in der Gemeinde hatte sich<br />

seit Beginn des Dritten Reiches gewandelt, und das Ansehen<br />

der Kirche war erheblich gesunken. Schon bei seiner<br />

Rückkehr aus dem Krieg hatte Pfarrer Carl feststel-<br />

len müssen, daß nahezu alle Fenster des Gotteshauses<br />

eingeschlagen worden waren. _. Und als er den damaligen<br />

Bürgermeister einmal ansprach, die Gemeinde möge<br />

doch wieder eine 3. Glocke für die Kirche anschaffen, erhielt<br />

er nach eigenen Worten nur folgende barsche Antwort:<br />

„Wir brauchen keine Glocke; wir gehen doch nicht<br />

in die Kirche !“ (s. Kirchenbuch, S. 636). Hier klingt einwenig<br />

das Verhalten von „Don Camillo und Pepone“<br />

durch _ _ _<br />

Der Ort hatte sich gewandelt: Durch die größere Bevölkerungszahl<br />

war auch eine größere Geschäftigkeit zu<br />

spüren: Es gab zahlreiche kleine Geschäfte und seit Mitte<br />

der 50er Jahre auch 2 Tankstellen in <strong>Reichelsheim</strong><br />

(Weckesheimer Straße und Bingenheimer Straße) - auch<br />

dies Zeichen eines aufkommenden Wohlstandes in der<br />

Bevölkerung.<br />

Politisch hatte sich auch einiges verändert: T1956 wurden<br />

die Sozialdemokraten erstmals stärkste Fraktion im<br />

Gemeinderat. „Bei den Kommunalwahlen am 28. Oktober<br />

wurden nur noch 9 Gemeinderatsmitglieder gewählt.<br />

Es erhielten die Arbeiter und ein Teil der Heimatvertriebenen<br />

(sozialdemokratisch) 4 Sitze, die Handwerker und<br />

freien Berufe _ _ _ 3 Sitze und die Bauern nur noch 2 Sitze.<br />

Hieraus kann man die Zusammensetzung des Dorfes<br />

<strong>Reichelsheim</strong> heute erkennen.<br />

Die Wahl des Bürgermeisters erfolgte durch den Gemeinderat.<br />

Dieser wählte zum neuen Bürgermeister Installationsmeister<br />

Otto Nohl, der seither erster Beigeordneter<br />

war. Der seitherige Bürgermeister Wilhelm<br />

Marloff wurde zum ersten und der Angestellte Willi Nohl<br />

zum 2. Beigeordneten gewählt“ (s. Kirchenbuch,<br />

S. 651).<br />

Daß die neue, die „moderne“ Zeit nicht an <strong>Reichelsheim</strong><br />

vorbeigegangen war, ergibt sich aus folgenden Anmerkungen<br />

und Mitteilungen: „Seit 1955 gibt es im Ort<br />

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