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Heimatbuch Reichelsheim 1992 OCR verlinkt

Reichelsheim in der goldenen Wetterau Historische Betrachtungen von Hagen Behrens Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim Bearbeitung: Hagen Behrens Umschlaggestaltung: Jean Bourdin Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main Erschienen 1992

Reichelsheim in der goldenen Wetterau
Historische Betrachtungen von Hagen Behrens
Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim
Bearbeitung: Hagen Behrens
Umschlaggestaltung: Jean Bourdin
Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main
Erschienen 1992

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1814, als in verschiedenen nassauischen Ämtern Versammlungen<br />

gehalten wurden zu den Themen „Freiheit<br />

und Gleichheit“. als auf Anregung auch des nassauischen<br />

Advokaten Wilhelm Snell, dessen Großneffe später in<br />

<strong>Reichelsheim</strong> Pfarrer werden sollte, „Deutsche Gesellschaften“<br />

gegründet wurden, da erließ die Regierung in<br />

Wiesbaden für das Herzogtum Nassau ein Verbot, da es,<br />

wie es hieß, Privatleuten nicht zustehe, „zu den großen<br />

Nationalangelcgenheiten Teutschlands mitzuwirken“<br />

(s. „Hessenchronik“, 207).<br />

Begann die Zeit nach Napoleon Bonaparte noch rechtliberal,<br />

wurde damals auch weitestgehend Presse- und damit<br />

Meinungsfreiheit im Herzogtum Nassau gewährt, so begann<br />

doch bald wieder eine restriktive Politik bestimmend<br />

zu werden, was auch in der Person des seit 1816 regierenden<br />

Herzog Wilhelm begründet war, von dem es heißt, er<br />

habe ein „absolutistisches Herrschaftsverständnis“ gehabt.<br />

Durch die Zunahme der sozialen Probleme, vor allem<br />

in den Städten, wurde über Lösungsmöglichkeiten, auch<br />

radikale Lösungsmöglichkeiten, immer lauter nachgedacht.<br />

Die Universitäten wurden zu Ouellen der Unruhen.<br />

Die Studenten begannen sich in Burschenschaften<br />

zu organisieren. Die Rufe nach „wahrer Mitbestimmung“,<br />

nach „bürgerlichen Freiheiten“, nach „Demokratie“,<br />

ja selbst nach „Republik“ wurden immer lauter.<br />

Die Juli-Unruhen in Paris im Jahre 1830, die dabei erzwungene<br />

Abdankung des französischen Königs Karl X.<br />

und die Thronbesteigung Louis Philipp I., des „Bürgerkönigs“,<br />

verunsicherten die deutschen Könige, Großherzöge<br />

und Herzöge: „Alle Vereine, welche politische<br />

Zwecke haben oder unter anderem Namen zu politischen<br />

Zwecken benutzt werden, sind zu verbieten<br />

und ist gegen deren Urheber und die Teilnehmer an denselben<br />

mit angemessener Strafe vorzuschreiten. _ _ Auch<br />

bei erlaubten Volksversammlungen und Volksfesten ist<br />

es nicht zu dulden, daß öffentliche Reden politischen Inhalts<br />

gehalten werden.. _“ so lautete eine „Maßregel zur<br />

Aufrechterhaltung der gesetzlichen Ordnung und Ruhe<br />

im deutschen Bunde“ vom 5. Juli 1832, die der Herzog<br />

von Nassau seinen einzelnen Ämtern, also auch <strong>Reichelsheim</strong>,<br />

zur „strengsten Beachtung“ übermittelte.<br />

Aus <strong>Reichelsheim</strong> wurden keine „Unruhen“, keine<br />

„ungeziemlichen Veranstaltungen“ bekannt.<br />

Doch die Zeit ging weiter: Die Probleme im sozialen Bereich<br />

wurden immer größer - der Unterschied zwischen<br />

Reichen und Armen, zwischen „wohlhabendem Bürgertum“<br />

und „armem Volk“ nahm zu, auch im ländlichen Bereich,<br />

weil - bedingt durch die Zunahme der maschinengetriebenen<br />

Fabriken - der alte Handwerkerstand mehr und<br />

mehr verarmte, wie schon zu Anfang dieses Kapitels aufgezeigt<br />

wurde. Das „Verlagssystem“ der Großhändler vergrößerte<br />

die Abhängigkeit des kleinen Gewerbes auch auf<br />

dem Lande. Die Mißernten trafen vor allem diese Bevölkerungsgruppen<br />

und ließen diese immer gereizter werden.<br />

Und wieder ging der revolutionäre Funken von Paris<br />

aus: Dieses Mal, 1848, konnten die Gewehre und die<br />

Verordnungen der Herrschenden die Menschen nicht<br />

mehr bremsen. In Deutschland brach die Revolution aus<br />

- die Fürsten wurden zu Kompromissen gezwungen.<br />

Auch <strong>Reichelsheim</strong>, das kleine Landstädtchen in der<br />

Wetterau, erzitterte. Auch hier warjetzt die Ruhe dahin!<br />

Pfarrer Frankenfeld, gewiß kein „fortschrittlicher“,<br />

kein „linker“ Pfarrer, berichtet im Kirehenbuch ausführlich<br />

über die „Lage in <strong>Reichelsheim</strong>“ (s. S. 84ff):<br />

„Daß in der Geschichte Deutschlands durch seine politischen<br />

Märzstürme ewig denkwürdige Jahr brachte auch<br />

in <strong>Reichelsheim</strong> manche Veränderungen. Zwar hatten<br />

sich an den Ereignissen des 4ten März in Wiesbaden keine<br />

Einwohner beteiligt und man bemerkt, obgleich die<br />

Gemüter durch die Kunde davon schon aufgewogt wur-<br />

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