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Heimatbuch Reichelsheim 1992 OCR verlinkt

Reichelsheim in der goldenen Wetterau Historische Betrachtungen von Hagen Behrens Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim Bearbeitung: Hagen Behrens Umschlaggestaltung: Jean Bourdin Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main Erschienen 1992

Reichelsheim in der goldenen Wetterau
Historische Betrachtungen von Hagen Behrens
Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim
Bearbeitung: Hagen Behrens
Umschlaggestaltung: Jean Bourdin
Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main
Erschienen 1992

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ne Hochburg gehabt hatte. Aber seine Führer selbst<br />

waren mit fliegenden Fahnen zu Hitler übergegangen“<br />

(s. Kirchenbuch, S. 553).<br />

Anmerkung: In diesem Jahr, also 1931, wird in <strong>Reichelsheim</strong><br />

auch eine NS-Ortsgruppe sowie ein SA-Sturm<br />

gebfldet<br />

Wie sehr schon vor der „Machtergreifung“ am 30. Januar<br />

I933 die <strong>Reichelsheim</strong>er Bevölkerung hinter der<br />

„Bewegung“ stand, das zeigt die Schilderung des Lehrers<br />

Kellers in der „Heimatchronik“ zu Ausschreitungen in<br />

<strong>Reichelsheim</strong>. Die Reichsregierung hatte, nachdem sich<br />

die Ausschreitungen bei politischen Veranstaltungen<br />

während des Wahlkampfes um das Amt des Reichspräsidenten<br />

(2. Wahlgang zwischen v. Hindenburg gegen Hitler<br />

am 10. 4. 1932) gehäuft hatte, die SA für die Dauer<br />

vom 13. 4. bis zum 17.6. 1932 verboten. Was in <strong>Reichelsheim</strong><br />

ablief, dazu sei hier also Lehrer Keller das Wort erteilt:<br />

„Der 13. April 1932, ein Ehrentag für <strong>Reichelsheim</strong><br />

Der Chronist hat als Augenzeuge die ganzen Ereignisse<br />

dieses 13. April miterlebt und erzählt darüber folgendes:<br />

Es war ein stiller, dunstiger Apriltag, dieser 13. April,<br />

der sollte zu einem Ehrentag aller vaterländisch gesinnten<br />

<strong>Reichelsheim</strong>er werden. Die Männer waren zum<br />

größten Teil draußen bei der Frühjahrsaussaat im Felde.<br />

Um die Mittagszeit sah ich zufällig aus dem Fenster meiner<br />

Wohnstube. Da fiel mir ein grünes Auto auf, das vor<br />

dem Hause des Sturmführers A. R. hielt. Am Auto stand<br />

ein Schupo (= Schutzpolizist). Ich dachte mir gleich, da<br />

stimmt etwas nicht und ging sofort aufdie Straße, wo sich<br />

vor dem Hause des Sturmführers schon eine Anzahl Kinder<br />

und Erwachsene, darunter der damalige Beigeordnete<br />

V. eingefunden hatte. Ich erfuhr von ihm, was los war.<br />

Der Hess. Innenminister Leuschner, ein Sozialdemokrat<br />

und ausgesprochener ›Nazifresser< hatte die polizeiliche<br />

Beschlagnahme aller Hakenkreuzfahnen und braunen<br />

Uniformstücke sowie Mitgliederlisten der SA und der<br />

Ortsgruppe der NSDAP angeordnet. Hier in <strong>Reichelsheim</strong><br />

wurde ein Kriminalbeamter und 2 Schutzpolizisten<br />

von Bad Nauheim beauftragt. Ich sah nun auf den Hof.<br />

Auf der Treppe oben stand ein Polizist, während der Kriminalbeamte<br />

und der Polizeidiener die Durchsuchung<br />

vornahmen. Es wurde alles durchsucht nach verbotenen<br />

Gegenständen, auch nach Waffen. Für die Mutter des<br />

Sturmführers, Witwe R., waren es wirklich grauenvolle<br />

Stunden, als dieser eigenartige Besuch in ihrem Hause<br />

alles durchstöberte. Immer mehr Menschen sammelten<br />

sich an, denn wie ein Lauffeuer ging es durch das ganze<br />

Städtchen. „Die Polizei hält Haussuchung abl“ Mißbilligende<br />

und erregte Zurufe wurden laut, denn man konnte<br />

dieses rigorose Vorgehen der Polizei nicht begreifen. Die<br />

Jugend sang Kampflieder, so daß der Polizeidiener erregt<br />

auf die Straße kam und Ruhe bot. Als die Haussuchung<br />

beendigt war, ging es zum Hause von O. P. , dessen<br />

Auto der Beschlagnahme verfiel, da es angeblich im<br />

Dienste der NSDAP Verwendung gefunden hatte. Hierbei<br />

kam es zu erregten Auseinandersetzungen mit der<br />

Polizei. O. P. mußte selbst sein Auto steuern und unter<br />

Polizeilicher Bedeckung nach dem Hofe des Bürgermeisters<br />

S. verbringen, wo es sichergestellt wurde. Unter<br />

lauten Pfuirufen fuhr dann das Auto der Polizeibeamten<br />

weg, um an anderen Orten den Befehl der marxistischen<br />

(korrekt wäre gewesen: sozialdemokratisch geführten)<br />

Regierung auszuführen. Allmählich kehrte wieder Ruhe<br />

in die Stadt ein, nur hier und da standen einzeln Gruppen<br />

in erregter Aussprache beeinander.<br />

Ich ging ins Pfarrhaus zu Pfarrer Rühl, der damals als<br />

einer der wenigen Geistlichen sich schon zu Adolf Hitler<br />

bekannte. Frau Pfarrer Rühl war zur Witwe R. gegan-<br />

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