Heimatbuch Reichelsheim 1992 OCR verlinkt
Reichelsheim in der goldenen Wetterau Historische Betrachtungen von Hagen Behrens Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim Bearbeitung: Hagen Behrens Umschlaggestaltung: Jean Bourdin Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main Erschienen 1992
Reichelsheim in der goldenen Wetterau
Historische Betrachtungen von Hagen Behrens
Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim
Bearbeitung: Hagen Behrens
Umschlaggestaltung: Jean Bourdin
Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main
Erschienen 1992
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aber vor allem damit begründet, daß die Mutter durch<br />
die Geburt für einen Gang in die Kirche noch zu geschwächt<br />
sei. Andererseits wurde immer wieder die<br />
Angst ausgesprochen, daß ungetaufte Kinder auf ihrem<br />
Weg in die Kirche von bösen Geistern angefallen werden<br />
könnten (in Heuchelheim trug deswegen die Hebamme<br />
das Neugeborene unter ihrem Mantel versteckt in die<br />
Kirche). Angestrebt wurde auf jeden Fall eine sehr<br />
schnell vollzogene Taufe, damit das Kind nicht lange<br />
außerhalb der christlichen Gemeinschaft stehe.<br />
Zur Haustaufe kam der Pfarrer immer in Begleitung<br />
des Kirchendieners, der die Taufschale und den Krug mit<br />
dem Taufwasser trug.<br />
Unmittelbar nach vollzogener Taufe feierte die Familie<br />
mit den Paten bei Kaffee und Kuchen.<br />
Die Paten wurden in der Regel von den Eltern aus dem<br />
Kreise derer ausgesucht, die sich beim ersten Besuch<br />
nach der Geburt angeboten hatten, „das Kind aus der<br />
Taufe zu heben“. Wer oft zum Paten oder zur Patin erwählt<br />
worden war, der konnte dies als ein Beweis seiner/<br />
ihrer Beliebtheit ansehen.<br />
Um die Bindung des Kindes an den Paten, die Patin<br />
oder die Paten zu verdeutlichen, erhielt es oft deren<br />
Namen als Beinamen.<br />
In <strong>Reichelsheim</strong> wurden, wie die Kirchenchronik verdeutlicht,<br />
die Taufen auch einmal später durchgeführt.<br />
Pfarrer Kayser (1880-1883) war über viele kirchliche<br />
Gewohnheiten in diesem Ort enttäuscht. Er schrieb<br />
(s. S. 268):<br />
„In der Regel läßt man die Kinder 4~6 Wochen lang<br />
liegen, was schon dem herrschenden Geiste gemäß auf<br />
die Gleichgültigkeit gegen das Sacrament hinweist.“<br />
Pfarrer Kayser und seine Nachfolger wie aber auch<br />
seine Vorgänger bemühten sich immer wieder, den Zeitraum<br />
zwischen Geburt und Taufe so eng wie möglich zu<br />
hahenf“<br />
EINSCHULUNG:<br />
Die Schulanfänger erhielten von ihren Eltern eine in<br />
den örtlichen Bäckereien gebackene große Brezel.<br />
KONFIRMA TION:<br />
Die ganze Kirchengemeinde nahm an dem Einzug der<br />
Konfirmanden in die Kirche teil. Der Einzug glich oft<br />
einem kleinen Umzug: vorne der Pfarrer und der Kirchenvorstand,<br />
dann die Eltern, dann die Konfirmanden.<br />
VERLOBUNG:<br />
Der Tag des Heiratsversprechens, die Verlobung, war<br />
als Tag wesentlicher als der Hochzeitstag. Alle rechtlichen<br />
und wirtschaftlichen Fragen waren bis zu diesem<br />
Tage von seiten der Elternhäuser der Brautleute geregelt.<br />
War man sich einig geworden, wurde die Verlobung<br />
gefeiert. Am Vorabend der offiziellen Verlobung fand<br />
das „Dippe-Werfen“ statt. Vor dem Haus der Brautleute<br />
hatten sich die jungen Leute versammelt und sangen Lieder,<br />
deren Texte noch manchen älteren Mitbürgerinnen<br />
und Mitbürgern geläufig sind:<br />
„Als ich dich zum ersten Mal erblickte<br />
Als ich dich zum ersten Mal erblickte<br />
diesen Abend, den vergeß ich nie!<br />
Als mich deine Gegenwart entzückte,<br />
da war es mir, ich weiß ja gar nicht wie.<br />
Ach wie gerne hörte ich dich nennen,<br />
wenn du freundlich warst, da freut ich mich.<br />
Hätt ich”s an jenem Abend wagen können,<br />
dir zu sagen: Ach, ich liebe dich!<br />
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