Heimatbuch Reichelsheim 1992 OCR verlinkt
Reichelsheim in der goldenen Wetterau Historische Betrachtungen von Hagen Behrens Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim Bearbeitung: Hagen Behrens Umschlaggestaltung: Jean Bourdin Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main Erschienen 1992
Reichelsheim in der goldenen Wetterau
Historische Betrachtungen von Hagen Behrens
Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim
Bearbeitung: Hagen Behrens
Umschlaggestaltung: Jean Bourdin
Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main
Erschienen 1992
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ne „Strafe“ wegen des sündigen Lebens der Menschen?<br />
Von dem Vorgänger des genannten Pfarrers Hoffmann,<br />
Pfarrer Crecelius (gestorben 1760 hier in <strong>Reichelsheim</strong>),<br />
teilt das Kirchbuch folgendes mit und gibt<br />
uns damit einen Einblick in das Denken der Menschen<br />
jener Zeit:<br />
„Er (Pfarrer Crecelius) wollte aber keine Arzneimittel<br />
mehr nehmen, weshalb er seine Zuflueht zu dem rechten<br />
Arzt des Leibes und der Seele nahm; und weil er wußte,<br />
daß alle Krankheit ihren Ursprung von der Sünde hatte,<br />
so hat er auch seine Sünden vor dem Angesicht Gottes<br />
erkannt und wehmütig bereut, so auch daran Vergebung<br />
von Herzen um des Mittlers Christi und seines geleisteten<br />
blutigen Verdienstes willen, welches er gläubig ergriffen,<br />
gesucht, ist in dem Glauben standhaft geblieben<br />
bis ihn der getreue Gott aus der streitenden Kirche berufen<br />
. _ (s. S. 11.8).<br />
Crecelius” Nachfolger, Pfarrer Hoffmann, der schon<br />
Jahre zuvor den amtierenden Pfarrer in seiner Arbeit<br />
hier in <strong>Reichelsheim</strong> unterstützt hatte und von dem auch<br />
der Eintrag stammte, dieser Pfarrer mußte den Tod aller<br />
seiner Kinder durch jene damals nicht erklärbare Krankheit,<br />
die Diphterie, erleben. Der Tod, der nahezu jede<br />
Familie heimsuchte, die Armut, die durch die Kriegsereignisse,<br />
durch die immer wieder erhöhten Kriegskontributionen<br />
verursacht war; dies alles bedeutete Verzweiflung,<br />
Hilflosigkeit.<br />
Kirchliche Verordnungen sollten das Leben neu regeln,<br />
sollten es „festigen“, sollten Verschwendung, sollten<br />
vor allem aber das Bewußtsein um den allgegenwärtigen<br />
Tod neu regeln: Kinder sollten, so hieß es nun,<br />
spätestens am 3. Lebenstage getauft werden, damit gesichert<br />
sei, daß sie, wenn sie stürben, als Christen die Erde<br />
verließen; zu Hochzeiten sollten nur maximal 12 Leute<br />
eingeladen, die Toten sollten „ohne unnötigen Kostenaufwand<br />
beerdigt, die Toten in ein Hemd von geringer<br />
Leinwand gekleidet werden“. Für Kinder unter 14 Jahren<br />
durfte nicht weiterhin getrauert, Kinder unter 6 Jahre<br />
durften zudem nicht öffentlich (also in Begleitung von<br />
Nachbarn, Verwandten und Bekannten und unter Glokkengeläute)<br />
beerdigt werden _ . _<br />
Zu gleicher Zeit, als man mit diesen Verordnungen die<br />
Menschen aus ihrer Trauer reißen oder sie nicht an die<br />
Trauer anderer im Orte erinnern wollte, als man sich also<br />
offiziell bemühte, den Menschen hier in <strong>Reichelsheim</strong><br />
klarzumachen, daß der Tod eines Angehörigen, vor allem<br />
der eines Kindes, nicht als „böser Schicksalsschlag“,<br />
sondern als Ausdruck des göttlichen Wollcns zu begreifen<br />
sei, der deswegen auch nicht die Kraft rauhen dürfe<br />
für einen aktiven Blick nach vorne, in die Zukunft des eigenen<br />
Lebens - zur gleichen Zeit kam durch Verordnung<br />
die Aufforderung, sich l. mehr den Regeln der von der<br />
Kirche verkündeten göttlichen Ordnung zu beugen und<br />
2. ein bescheidenes, ehrbares und bcherrschtes Leben zu<br />
führen.<br />
Pfarrer Frankenfeld führt aus jener Zeit dazu in dem<br />
Kirchbuch (s. S. 122) eine Verordnung an, die verdeutlicht,<br />
welche Strenge die dem Fürsten von Nassau unterstellte<br />
Kirche den „Unterthanen“ auferlegte:<br />
„Eine fünfte Verordnung setzt über dic Kirchanwohner<br />
fest:<br />
1. daß sie alle Monat gleich nach beendigtcın Betgottesdienst<br />
vorgestellt werden soll;<br />
2. daß alle Handarbeiten an Sonn- und Feiertagen -<br />
wenn es keine Notharbeiten sind - mit 15 Kreuzer<br />
bestraft werden sollen; geschehen sie aber während<br />
des Gottesdienstes mit erhöheter Strafe;<br />
3. daß gleiche Strafe den treffen soll, welcher des Handels<br />
und Wandels wegen am Sonntag ohne Noth und<br />
Vorwissen des Pfarrers vor dem Gottesdienst ausrei-<br />
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