Heimatbuch Reichelsheim 1992 OCR verlinkt
Reichelsheim in der goldenen Wetterau Historische Betrachtungen von Hagen Behrens Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim Bearbeitung: Hagen Behrens Umschlaggestaltung: Jean Bourdin Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main Erschienen 1992
Reichelsheim in der goldenen Wetterau
Historische Betrachtungen von Hagen Behrens
Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim
Bearbeitung: Hagen Behrens
Umschlaggestaltung: Jean Bourdin
Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main
Erschienen 1992
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deln. scheiterten an dem eigensinnigen, hartnäckigen<br />
Festhalten der gewohnten Sitte und an dem tiefen Unwillen<br />
und der Ärgernis, mit der diese Versuche jedes<br />
Mal von den Leidtragenden aufgenommen wurde.<br />
Endlich ergab sich ein Fall, der mir besonders günstig<br />
schien, bei den Trauernden mir die völlige Zustimmung<br />
zur Vornahme eines öffentlichen Begräbnisses<br />
zu erwirken. Ich holte die Leiche am Hause ab, begleitet<br />
unter einem großen Trauerzug und Zulaufen der<br />
Menge zum Grabe, hielt dort eine Leichenrede und<br />
segnete die Leiche ein.<br />
Die Vorliebe und das Hangen an dem alten Gebrauch<br />
war bei dem nächsten Sterbefall nun schon nicht mehr so<br />
groß. Wenn auch nur wenige der Leiche folgten, so hatten<br />
sie doch nichts dagegen, als ich im Augenblicke, wo<br />
sie dieselbe wegtragen wollten, erschien, vor dem Sarge<br />
herging und am Grabe eine kurze Rede hielt.“<br />
Der Nachfolger von Pfarrer Tecklenburg im <strong>Reichelsheim</strong>er<br />
Pfarramt, Pfarrer Snell, vermerkte die Veränderung<br />
durch folgenden Eintrag in die Kirchenchronik<br />
(s. S. 223):<br />
„Es herrschte in diesem Winter bis in das Frühjahr hinein<br />
eine große Sterblichkeit unter den kleinen Kindern,<br />
und die Gestorbenen werden auf Verlangen der Eltern<br />
fast sämtlich öffentlich von mir beerdigt, was früher hier<br />
nicht üblich war.“<br />
Wie vor ungefähr 110 Jahren die Begräbnisse in <strong>Reichelsheim</strong><br />
durchgeführt wurden, das hielt Pfarrer W.<br />
Kayser. der Nachfolger von Pfarrer Snell, für die Nach-<br />
welt, also für uns und unsere Kindeskinder, wie folgt fest<br />
(s. S. 269 f.):<br />
„Die Begräbnisse sind sehr nüchtern und entbehren<br />
vieler Feierlichkeit, die sich sonsten findet. Es mag dies<br />
darin seine Erklärung finden, daß in Folge von Epidemien<br />
in alter Zeit die öffentlichen Leichenfeiern ganz abgestellt<br />
worden waren. Bis vor nicht langer Zeit blieb die<br />
Leichengesellschaft in dem Sterbehaus, während der<br />
Geistliche allein mit den Trägern die Leiche zum Kirchhofe<br />
brachte. -Jetzt gehn wohl mehr oder weniger Leute<br />
bei jeder Leiche mit. An vielen Orten wird, sobald ein<br />
Glied der Gemeinde gestorben ist, dies derselben durch<br />
Glockengeläute angezeigt, wobei ja nach der Glocke,<br />
mit welcher angefangen wird oder aus den Absätzen des<br />
Geläutes, sofort das Alter des Verstorbenen ersichtlich<br />
wird; an anderen wird ›ins Grab geläutet