Heimatbuch Reichelsheim 1992 OCR verlinkt
Reichelsheim in der goldenen Wetterau Historische Betrachtungen von Hagen Behrens Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim Bearbeitung: Hagen Behrens Umschlaggestaltung: Jean Bourdin Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main Erschienen 1992
Reichelsheim in der goldenen Wetterau
Historische Betrachtungen von Hagen Behrens
Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim
Bearbeitung: Hagen Behrens
Umschlaggestaltung: Jean Bourdin
Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main
Erschienen 1992
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durch grünen, blühen und wachsen lasse, auch schützen<br />
und bewahren die erhabene Person des hochverehrten<br />
Fürsten zum Heil und Segen des treuen Volkes.<br />
Die wir harren in tiefer Ehrfurcht<br />
EW. Hoheit<br />
untertänigste Einwohner von <strong>Reichelsheim</strong> & Dorn-Assenheim.“<br />
Der überschwengliche Jubel um den „durchlauchtigsten<br />
Herzog“ währte in den Gassen <strong>Reichelsheim</strong>s nicht<br />
mehr lange: Das intensive Streben Preußens um Vorherrschaft<br />
in Deutschland bzw. um die Herstellung der<br />
politischen Einheit von Deutschland unter preußischer<br />
Führung führte schließlich zum Krieg Preußens gegen<br />
Österreich. Die hessischen Staaten - Kurhessen, Nassau<br />
und Hessen-Darmstadt - verbündeten sich mit Österreich<br />
und den anderen süddeutschen Staaten, während<br />
Preußen die Unterstützung der norddeutschen Fürstentümer<br />
hatte.<br />
Die berühmt gewordene Schlacht bei Königgrätz<br />
(Böhmen), die die Preußen für sich gewinnen konnten,<br />
stellte die Weichen für ein neugeordnetes Deutschland -<br />
ein Deutschland ohne Österreich, das Klein-Deutschland.<br />
Vor allem wurde diese Auseinandersetzung zum historischen<br />
Ende von Kurhessen (Hessen-Kassel) und des<br />
Herzogtums Nassau! Preußen annektierte diese Herrschaftsgebiete<br />
und tat damit das, was es ca. 50 Jahre zuvor,<br />
nach den napoleonischen Kriegen, schon hatte machen<br />
wollen: es stieß mit seinem Staatsgebiet bis zum<br />
Main vor und war damit die bestimmende Macht in<br />
Deutschland! Es reichte von der Memel bis an den<br />
Rhein, von der Nord- und Ostsee bis an den Main.<br />
<strong>Reichelsheim</strong> allerdings wurde nur für wenige Wochen<br />
preußiseh. Da das Großherzogtum Hessen-Darmstadt,<br />
auch nicht dessen Provinz Oberhessen, auf Druck des<br />
Zaren von Rußland von Preußen nicht, wie von Otto von<br />
Bismarck vorgesehen, annektiert wurde, Preußen allerdings<br />
an der Exklave <strong>Reichelsheim</strong>/Dorn-Assenheim kein<br />
Interesse hatte, fiel das ehemalige nassauische Amt in der<br />
Wetterau an das Großherzogtum Hessen-Darmstadt.<br />
<strong>Reichelsheim</strong> war nunmehr hessisch!<br />
Sein Poststempel änderte sich konsequenterweise: Es<br />
hieß nicht mehr „<strong>Reichelsheim</strong>/Nassau“, sondern „<strong>Reichelsheim</strong>/Wetterau“<br />
- und bei dieser Bezeichnung blieb<br />
es bis heute!<br />
Pfarrer Snell hatte in seinem langen Eintrag in die Kirchenchronik<br />
über die geschilderten Ereignisse mit folgenden<br />
Worten eingeleitet:<br />
„Dieses Jahr hat das Deutschland, welches aus den<br />
Napoleonisehen Kriegen und dem Wiener Kongreß hervorgegangen<br />
und unter dem Bundestage über ein halbes<br />
Jahrhundert in Frieden gelebt hatte, in politischer Hinsicht<br />
total umgestaltet.“<br />
Snell nennt dieses Jahr „ein Jahr der Schmach“_ Er unterdrückt<br />
nicht seine Antipathie gegen Preußen, und<br />
wahrscheinlich gab er damit die Stimmung der <strong>Reichelsheim</strong>er<br />
wieder. Da für ihn der Krieg gegen Preußen ein<br />
„gerechter Krieg“ war, wandelte er das „Kriegsgebet um<br />
siegreiche Waffen“, das der nassauischen Landesbischof<br />
angeordnet hatte in ein „Gebet für den Sieg der gerechten<br />
Sache“ um (s. S. 217).<br />
Auch 10 <strong>Reichelsheim</strong>erjunge Männer waren für den<br />
Krieg eingezogen worden, hatten allerdings das Glück,<br />
zu überleben, weswegen Pfarrer Snell den Dankgottesdienst<br />
am 16. September 1866 mit den Worten eröffnete:<br />
„Er zählt die Häupter seiner Lieben, und sieh, es fehlt<br />
kein teures Hauptl“ (s. Kirehenbuch S. 219).<br />
Nach dem Niedergang Nassaus, der ihn zwang, wie alle<br />
„öffentlichen Diener“ sich durch Eid für Preußen in<br />
die Pflicht nehmen zu lassen, betete der <strong>Reichelsheim</strong>er<br />
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