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Heimatbuch Reichelsheim 1992 OCR verlinkt

Reichelsheim in der goldenen Wetterau Historische Betrachtungen von Hagen Behrens Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim Bearbeitung: Hagen Behrens Umschlaggestaltung: Jean Bourdin Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main Erschienen 1992

Reichelsheim in der goldenen Wetterau
Historische Betrachtungen von Hagen Behrens
Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim
Bearbeitung: Hagen Behrens
Umschlaggestaltung: Jean Bourdin
Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main
Erschienen 1992

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litt in jener Zeit. „Veraltete Produktionsmethoden, Verarmung<br />

und eine hohe Zahl von Kleinmeisterbetrieben<br />

kennzeichneten allgemein das Handwerk... Besonders<br />

betroffen waren die ›Massenhandwerke< der Schuhmacher<br />

und Schneider. Teuerungskrisen, aber auch wachsende<br />

Konkurrenz durch großgewerblich-frühindustrielle<br />

Betriebe und durch Kaufleute drückten die Kleinmeister<br />

unter die Armutsgrenze. Insbesondere in der 1819<br />

eingeführten Gewerbefreiheit sahen die meisten nassauischen<br />

Handwerker die Ursache allen Übels“ („Nassaus<br />

Beitrag für das heutige Hessen“, S. 51).<br />

Die jungen Männer oder Familienväter zog es deshalb<br />

immer öfter in die Fabriken der Städte, nicht bloß in die<br />

Nassaus (Dillenburg, Höchst z. B.), sondern auch die der<br />

anderen deutschen Staaten - oder gar in fremde Länder,<br />

jeweils hoffend, in der Fremde das „Glück zu machen“<br />

oder zumindest den Lebensunterhalt für sich und die Familie<br />

verdienen zu können. Aus jener Zeit, 1837, haben<br />

wir einen Kirchenbucheintrag des Pfarrers Funkel. Er<br />

schreibt über eine solche Auswanderungswelle (s. S. 61):<br />

„Heute, den 3. August, sind folgende Leute von hier<br />

nach Polen ausgewandert, um sich dort in Zagwitz und<br />

Sinradz niederzulassen:<br />

1. Johannes Georg Pfeil, Wagner, mit Frau und sieben<br />

Kindern<br />

2. Johann Heinrich Schnell, Leinweber, mit Frau und<br />

fünf Kindern<br />

3. Friedrich Pfeil, Schneider, mit Frau und sechs Kindern<br />

4. Conrad Weil, Tagelöhner, mit Frau und 3 Kindern<br />

5. Johann Reinhard Nagel, Leinweber, mitFrau und deren<br />

Schwester-Sohn Philipp Crüsler und<br />

7. zwei Töchter vom verstorbenen Maurer Jakob<br />

Kärpp.<br />

Gott lasse diese Leute glücklich ans Ziel ihrer Reise<br />

gelangen und sie dort finden, was sie suchen 1“<br />

Es waren, wie die Berufsbezeichnungen zeigen, keine<br />

Bauern, die fortgingen ; es waren Handwerker und Tagelöhner,<br />

die meist auch verarmte Handwerker waren!<br />

Doch es waren keineswegs Menschen, die am „Rande<br />

der Gesellschaft“ lebten. So war Johann Georg Pfeil bis<br />

zu seiner Auswanderung Kirchenvorsteher der hiesigen<br />

Kirchengemeinde. Daß manch einer der Ausgewanderten<br />

schon bald wieder tief enttäuscht ans <strong>Reichelsheim</strong>er<br />

Stadttor klopfte, bedeutete nicht, daß in <strong>Reichelsheim</strong><br />

selbst Wohlstand herrschte.<br />

Die modernen Gesetze des Herzogs, die den Geist der<br />

Zeit widerspiegelten, verteilten den Wohlstand nicht<br />

gleichmäßig auf die Untertanen. Und so herrschte wahrlich<br />

nicht in allen Häusern des kleinen Landstädtchens<br />

Wohlstand! Immer wieder berichtet uns die Kirchenchronik<br />

von Unwettern, Ungezieferplagen, Tierseuchen,<br />

Dürre und dergleichen mehr, die jeweils vor allem<br />

die Ärmsten der Armen besonders trafen.<br />

Das Kirehenbuch berichtet 2. B.:<br />

1.) lm Jahre 1816 herrschte große Trockenheit. Die Getreideernte<br />

fiel sehr schlecht aus. 1817 waren deswegen<br />

die Preise für Weizen, Korn, Gerste und Hafer<br />

sehr, sehr hoch.<br />

2.) „Am Donnerstag, dem 25. Juli 1822 traf <strong>Reichelsheim</strong><br />

ein sehr harter Schlag. An diesem Tag nämlich“,<br />

schreibt Pfarrer Funkel, „des Abends um 9<br />

Uhr, zog ein Gewitter über die hiesige Gegend, welches<br />

Eisstücke zum Teil so groß wie Taubeneier mit<br />

sich führte, die in kaum 5 Minuten das ganze Sommerfeld<br />

- dieses Jahr die Krone der Wetterau - verheerten,<br />

das sämtliche herrliche Obst teils abschlugen<br />

teils beschädigten, fast alle Gemüse in Gärten<br />

und auf den Feldern vernichtete, den Flachs verdar-<br />

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