Heimatbuch Reichelsheim 1992 OCR verlinkt
Reichelsheim in der goldenen Wetterau Historische Betrachtungen von Hagen Behrens Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim Bearbeitung: Hagen Behrens Umschlaggestaltung: Jean Bourdin Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main Erschienen 1992
Reichelsheim in der goldenen Wetterau
Historische Betrachtungen von Hagen Behrens
Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim
Bearbeitung: Hagen Behrens
Umschlaggestaltung: Jean Bourdin
Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main
Erschienen 1992
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Eine Verordnung der „Herzoglich Nassauischen Landesregierung<br />
an den Herzoglichen Amtmann, Herrn<br />
Bullmann zu <strong>Reichelsheim</strong>“ aus dem Jahre 1844, die sich<br />
im Archiv der Stadt befindet, gibt uns Einblick in ein<br />
heute schwer verständliches Vorkommnis: „Das Mitnehmen<br />
von Knaben und Mädchen von Fliegenwedelhändlern,<br />
Musikanten p.p. nach Rußland, England und<br />
Frankreich betreffend:<br />
Es ist früher zu Unserer Kenntnis gekommen, daß aus<br />
einzelnen Orten des Herzogtums Knaben, die kaum aus<br />
der Schule entlassen waren, so wie Mädchen von erwachsenen<br />
Personen in das Ausland, insbesondere nach den<br />
oben bemerkten Ländern, mitgenommen worden sind,<br />
um sie bei dem Musizieren, dem Handel mit Fliegenwedeln<br />
oder mit anderen zum Hausieren bestimmten geringfügigen<br />
Gegenständen zu benutzen, und daß mitunter<br />
solche Knaben und Mädchen von ihren Führern zu<br />
unerlaubten Gewerbe, durch Betteln und unsittliche Lebensweise<br />
verleidet worden sind.<br />
Wir haben in Folge hiervon durch Verfügung an die<br />
Ämter die Beschränkung eintreten lassen, daß das Reisen<br />
von Knaben und ledigen Weibspersonen in den bezeichneten<br />
Fällen nur gestattet werden soll, wenn sich<br />
dieselben in Begleitung ihrer Eltern befinden.<br />
Wir finden Uns veranlaßt, diese Vorschrift nunmehr<br />
für sämtliche Ämter zu erteilen; Sie werden die Herzoglichen<br />
Schultheißen instruieren, in den über das Ansuchen<br />
solcher Personen um Erteilung von Reisepässen an<br />
das Amt zu erstattenden Berichten, den Zweck der Reise<br />
und in welcher Begleitung dieselbe vorgenommen werden<br />
soll, genau anzugeben. Wir empfehlen Ihnen die<br />
Überwachung der genauen Vollziehung dieser Bestimmung<br />
und ermächtigen Sie zugleich, Pässe auch Mädchen,<br />
welche mit ihren Eltern reisen wollen, zu verweigern,<br />
bei welchen nachweisbarlich, daß sie bei einer früheren<br />
Reise solchem unerlaubten Erwerbe im Ausland<br />
obgelegen haben.<br />
Sollten Einwohner aus dem Großherzogtum Hessen,<br />
was vorgekommen ist, ledige Weibspersonen und Knaben<br />
anwerben wollen, um ihnen bei dem Fliegenwedelhandel,<br />
dem Musizieren pp. behülflich zu seyn, so sind<br />
dieselben unter Strafandrohung für den Wiederholungsfall<br />
auszuweisen.<br />
Wir machen schließlich darauf aufmerksam, daß diese<br />
Beschränkung in Erteilung der Reisepässe auf junge<br />
Burschen, welche das Musizieren als Gewerbe betreiben,<br />
keine Anwendung findet.<br />
Wiesbaden, den 23. April 1844“<br />
Wie schlecht das Leben tatsächlich im Lande des Herzogs<br />
von Nassau war, das zeigen Berichte aus jener Zeit:<br />
ein zeitgenössischer Beobachter schrieb „über die ›im Inund<br />
Auslande schaarenweise umherziehenden Nassauer