Heimatbuch Reichelsheim 1992 OCR verlinkt
Reichelsheim in der goldenen Wetterau Historische Betrachtungen von Hagen Behrens Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim Bearbeitung: Hagen Behrens Umschlaggestaltung: Jean Bourdin Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main Erschienen 1992
Reichelsheim in der goldenen Wetterau
Historische Betrachtungen von Hagen Behrens
Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim
Bearbeitung: Hagen Behrens
Umschlaggestaltung: Jean Bourdin
Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main
Erschienen 1992
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Was bestimmte neben den Alltagspflichten noch das<br />
Leben in und um <strong>Reichelsheim</strong>? Was lernten die Kinder<br />
von klein auf noch kennen, was war für sie sehr früh eine<br />
Selbstverständlichkeit?<br />
Sie merkten z. B., daß ihre Väter immer mal wieder<br />
für mehrere Stunden außer Hause waren, weil sie „Wache<br />
halten“ mußten, und zwar nicht nur nachts und nicht<br />
nur an den Toren und auf den Türmen ~ nein: in unruhigen<br />
Zeiten oder in jenen Zeiten, wenn die Menschen aus<br />
den großen Städten vor Krankheit und Hunger flüchteten,<br />
waren sie als Ortsbürger auch verpflichtet, tagsüber<br />
Straßen-, Tor- und Feldwachc zu halten. Die Sicherheit<br />
für das Eigentum und die körperliche Unverletzliehkeit<br />
der Menschen in der Stadt mußte hauptsächlich durch<br />
Eigenverantwortung, durch eine Art Bürgerwehr, gewährleistet<br />
werden.<br />
Diese Tor-, Turm- und Feldwachen hatten auch dafür<br />
Sorge zu tragen, daß nicht Unbcreehtigte über eine der<br />
Landwehrbrücken in das hiesige Gemarkungsgebiet eindrangen<br />
oder gar durch eines der Stadttore kamen. Mißtrauisch<br />
wurden vor allem Reiter in der Uniform eines<br />
anderen Herrscherhauses betrachtet. Waren sie „ohne<br />
Legitimation“, so wurde ihnen in der Regel die Durchquerung<br />
des Ortes untersagt. Manches Mal soll es sogar,<br />
wie noch vorhandene Vernehmungsprotokolle bestätigen,<br />
zu Handgreiflichkeiten mit den Durchlaß erbittenden<br />
Fremden gekommen sein. Mehr als einmal erkundigte<br />
sich der nassauische Graf bei seinem hiesigen Amtmann,<br />
was denn vorgefallen sei, habe sich doch sein „licber<br />
Vetter, Seine Erlaucht der Graf. _ bei ihm über das<br />
Verhalten der Torwachen von <strong>Reichelsheim</strong> beschwert!<br />
Ärger gab es auch immer wieder einmal mit der Erhebung<br />
von Wege- und Brückengeld, vor allem in Richtung<br />
Bingenheim. Diese Gelder gingen direkt an den herrschenden<br />
Grafen - den Ärger hatten aber die vor Ort<br />
wohnenden Menschen. Die Bingenheimer waren strikt<br />
gegen solche Abgaben und sperrten als „Gegenleistung“<br />
den <strong>Reichelsheim</strong>ern zeitweise den Zugang in den Wald,<br />
wenn sie Holz für den Hausbau oder für den Hausbrand<br />
holen wollten!<br />
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Holzschnitt von J. Amman „Der Holzclrechsler“<br />
(Entn. : „Die Wetterau“, S. Ill)<br />
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