Heimatbuch Reichelsheim 1992 OCR verlinkt
Reichelsheim in der goldenen Wetterau Historische Betrachtungen von Hagen Behrens Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim Bearbeitung: Hagen Behrens Umschlaggestaltung: Jean Bourdin Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main Erschienen 1992
Reichelsheim in der goldenen Wetterau
Historische Betrachtungen von Hagen Behrens
Herausgeber: Magistrat der Stadt Reichelsheim
Bearbeitung: Hagen Behrens
Umschlaggestaltung: Jean Bourdin
Gesamtherstellung: Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, Frankfurt/Main
Erschienen 1992
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c) Kirchliche Vorschriften zu den Feiern des Lebens-<br />
Iaufes aus dem 18./19. Jahrhundert<br />
Pfarrer Frankenfeld fand mehrere kirchliche Verordnungen<br />
aus dem Jahre 1760, die Pfarrer Hoffmann, einer<br />
seiner Amtsvorgänger, auszuführen hatte. Diese Aufzeichnungen<br />
seien hier auszugsweise wiedergegeben:<br />
„Eine dritte (Verordnung) bezieht sich auf die Hochzeiten,<br />
Kindtaufen, Beerdigungen und die gesetzliche<br />
Trauerzeit.<br />
Bei Hochzeiten sollen höchstens 12 Gäste eingeladen<br />
werden. Diesen dürfe vor dem Kirchgang kein<br />
Frühstück gereicht werden. Bei der Mahlzeit dürfe<br />
kein Überfluß in Essen und Trinken sein; auch solle<br />
keine Speise nach Hause geschickt, kein Bettler hinzugelassen<br />
werden und die Feierlichkeit nicht länger dauern<br />
als bis den Abend 10 Uhr. Auch sei das Hemmen<br />
(= Seilspannen) des Brautpaares, das den unverheirateten<br />
Gästen abgenöthigte Schenken von Wein und<br />
Zuckerwerk an die anwesenden Weiber, das sogenannte<br />
Tischrücken den Sonntag nach der Hochzeit<br />
und das Geben von sogenannten Brautstücken an das<br />
Gesinde untersagt.<br />
In Ansehung der Kindtaufen wurde festgesetzt, die<br />
Kinder sollten schon den dritten Tag nach der Geburt getauft<br />
und dabei höchstens drei Taufzeugen genommen<br />
werden. Die Taufzeugen konnten ein Geschenk geben,<br />
alle weiteren Geschenke für die Pathen zum Neuenjahr<br />
u.s.w. wie in das Kindbettenhaus mußten unterbleiben.<br />
Weder vor dem Kirchgang dürfe ein Frühstück noch<br />
nach demselben eine Mahlzeit gereicht werden. Verboten<br />
sei auch die Taufe im Hause, wenn es die Noth nicht<br />
erfordere.“<br />
Ebenso wurden über die Beerdigungen folgende Bestimmungen<br />
getroffen:<br />
„Die Todten sollten den dritten Tag ohne unnöthigen<br />
Kostenaufwand beerdigt, die Todten in ein Hemd von<br />
geringem Leinwand gekleidet, in einen Sarg von tannen<br />
oder sonst gemeines (= billiges) Holz gelegt werden. Alle<br />
Trost- und Leichenschmäuse sollten aufliören bei zehn<br />
Gulden Strafe.<br />
Trauerkleider sollten nur anlegen Eheleute, Eltern,<br />
Großeltern, Kinder, Enkel, Schwiegersöhne und -töchter,<br />
Geschwister, Schwäger und Schwägerinnen auch deren<br />
Eltern, Geschwister und und deren Ehegatten, dergleichen<br />
die eingesetzten Erben; und zwar Eltern für<br />
Kinder, welche das 25. Jahr erreicht haben: Kinder für<br />
Eltern, Ehegatten für einander auf 6 Monat (nach Verlauf<br />
von 3-4 Monat soll abgetrauert werden); Eltern für<br />
Kinder, welche das 14. Jahr erreicht haben, wie auch alle<br />
andern vorgenannten Personen, sollten nur 3, 2, 1 Monat<br />
halbe Trauer anlegen. Für Kinder aber unter 14 Jahr gar<br />
nicht getrauert werden durch Trauerkleidung.“<br />
Pfarrer Frankenfeld führt in seiner Sprache des letzten<br />
Jahrhunderts eine weitere Verordnung aus dem Jahre<br />
1768 auf, die festlegt, daß „Leichenbegängnisse der unter<br />
6 Jahren verstorbenen Kinder untersagt“ werden _ _ .<br />
Daß diese Verordnung wirklich in Kraft trat und das<br />
Leben bestimmte, ja, daß Beerdigungen im letzten<br />
Jahrhundert in einer Form abgehalten wurde, wie wir<br />
heutigen Zeitgenossen es uns gar nicht mehr vorstellen<br />
können, das zeigt ein Eintrag des Pfarrers Ludwig<br />
W. Tecklenburg in die Chronik aus dem Jahre 1856<br />
(s. S. 180 f.):<br />
„Seit 1815 wurden, wie die Leute sagen, die Toten nur<br />
in Begleitung der sogenannten Todtenfrau hinausgetragen<br />
und beerdigt. Alle meine wiederholt angestellten<br />
Versuche, diese Art des Begrabens der Leichen, welche<br />
aus einer Zeit ansteckender Krankheiten herrühren<br />
möchte, in öffentliche Leichenbegräbnisse zu verwan-<br />
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